Der Vietnamese Duong Wan Thai lebte als politischer Flüchtling in Thailand und wartete darauf, in ein sicheres Drittland reisen zu können. Im April vergangenen Jahres jedoch wurde er von Unbekannten auf offener Strasse überwältigt. Er soll dabei geschrien haben, Aktivistinnen und Freunde verweisen unter anderem auf die Audio-Aufnahmen einer Überwachungskamera . Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass der vietnamesische Geheimdienst hinter der Aktion steckte.
Wenig später tauchte Thai in Vietnam auf. Die Behörden behaupten, er sei illegal über die Grenze gekommen. Gestern wurde er in einem Prozess, der hinter verschlossenen Türen stattfand, zu 12 Jahren Haft verurteilt. Mit ihm sollen weitere Angeklagte verurteilt worden sein, die ihn mit Informationen versorgt haben sollen, wie Radio Free Asia berichtet. Der 42-Jährige hat sich über Jahre für Demokratie und Menschenrechte in seinem Land eingesetzt und sich an Protesten etwa gegen die Umweltverschmutzung beteiligt.
Unliebsame Kritiker entführt
In Thailand hat er in den Sozialen Medien Posts zur vietnamesischen Politik veröffentlicht. Thai hatte auf YouTube rund 120'000 Follower. Er äusserte sich immer wieder kritisch gegenüber der vietnamesischen Regierung. Vietnam liegt auf der Rangliste der Pressefreiheit von «Reporter ohne Grenzen» auf den hintersten Plätzen.
Der Fall von Thai erinnert an einen anderen regimekritischen Blogger und Journalisten. Truong Duy Nhat wurde 2019 aus Bangkok entführt und nach Vietnam verschleppt. Dort wurde er zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt.
Wie aus einem Agentenroman
Der bislang spektakulärste Fall ereignete sich 2017 in Deutschland. Beim Entführten handelte es sich um einen hochrangigen früheren Wirtschaftsfunktionär, dem Vietnam Korruption vorwarf.
Trinh Xuan Thanh befand sich in Begleitung einer Frau auf einem Spaziergang im Berliner Tiergarten. Was dann passierte, bezeichnete der
«Berliner Tagesspiegel»
als «regelrechte Kommandoaktion». Mehrere Männer seien aus einem Van gesprungen und hätten das Paar in den Wagen gezerrt.
Der Entführte soll in die Slowakei transportiert worden sein. Dort habe man ihn in eine vietnamesische Regierungsdelegation eingeschleust, die sich mit dem slowakischen Innenminister traf. Per slowakischem Regierungsflugzeug soll Trinh Xuan Thanh laut der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ» nach Moskau geflogen und schliesslich nach Vietnam gebracht worden sein. In seinem Heimatland wurde er wegen Korruption zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Fall sorgte für eine diplomatische Krise zwischen Hanoi und Berlin.
Kaum Empörung in Thailand
Bei den mutmasslichen Entführungen aus Thailand gab es ausserhalb von Aktivistenkreisen und Menschenrechtsorganisationen dagegen kaum Empörung. Menschen, die in Ländern wie Vietnam oder Kambodscha politisch verfolgt werden, leben auch in Thailand in Unsicherheit.
So wurden in der Vergangenheit mehrmals politische Verfolgte an ihre Heimatstaaten ausgeliefert. Erst im September ordnete ein thailändisches Gericht die Auslieferung eines prominenten vietnamesischen Aktivisten an. In einem offenen Brief hat Amnesty International zusammen mit über dreissig weiteren Gruppen die thailändischen Behörden aufgefordert, den Mann nicht nach Vietnam auszuliefern.