Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan braucht dringend Geld: Die Inflation macht dem Land zu schaffen, die Lira taucht, das Erdbeben hat tiefe Spuren hinterlassen. Da trifft es sich gut, dass in der Nachbarschaft der Türkei schwerreiche Länder liegen.
So hat sich Erdogan zu einer Golf-Tour zu den Öl- und Gasmonarchen in Katar, den Emiraten und Saudi-Arabien aufgemacht. Er erhofft sich von der Reise Investitionen für die angeschlagene Wirtschaft der Türkei.
In türkischen Medien wird spekuliert, dass Erdogan mit Verträgen im Umfang von 20 bis 30 Milliarden Dollar nach Hause zurückkehren könnte. Vor seiner Abreise gab er sich hoffnungsvoll und stellte keinerlei Bedingungen für die Zusammenarbeit mit den Golfstaaten.
Begleitet wird Erdogan von einer hochkarätigen Delegation: Mehrere Minister und 200 Geschäftsleute flankieren den frisch im Amt bestätigten Präsidenten.
Bruch mit den Saudis
Mit den Emiraten und Saudi-Arabien gestaltete sich das bilaterale Verhältnis lange kompliziert. «Das ganze letzte Jahrzehnt war geprägt von einer scharfen Konfrontation», erinnert sich SRF-Auslandredaktor Philipp Scholkmann. «Der Tiefpunkt war 2018 die grausame Ermordung und Zerstückelung des saudischen Oppositionellen Jamal Khashoggi in Istanbul.»
Darauf folgte eine fast vierjährige Eiszeit zwischen Erdogan und dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.
Schon seit der Arabische Frühling ab 2010 viele Länder der Region erfasste, standen Erdogan und die Saudis auf entgegengesetzten Seiten. «Erdogan unterstützte Protestbewegungen, allen voran islamistische Regimegegner wie die Muslimbrüder», sagt Scholkmann. «Saudi-Arabien und die Emirate investierten Milliarden, um die Generäle und Autokraten in der Region zu stützen.»
Zur Verschlechterung der Beziehungen trug weiter bei, dass der türkische Alliierte Katar zwischenzeitlich von Saudi-Arabien, Ägypten, den Emiraten und Bahrain boykottiert wurde. Denn mit dem katarischen Königshaus verbindet Erdogan schon lange eine enge Beziehung.
All dies scheint wieder vergessen. Seit zwei Jahren geht Erdogan wieder aktiv auf die Ölmonarchien am Golf zu. Seine dreitägige Reise in die Golfstaaten soll den bilateralen Aufbruch mit Milliardenverträgen beschleunigen.
Vom Machtpolitiker zum Bittsteller
Erdogans Umdenken hat indes nicht nur monetäre, sondern auch machtpolitische Gründe. «Er verfolgte gewaltige Ambitionen und wollte die Region neu gestalten», erklärt der langjährige Nahostkorrespondent von SRF. «Aber die islamistischen Aufstände in der Nachbarschaft, die Erdogan unterstützte, sind gescheitert.»
Die autoritären Staatschefs wurden wieder zu respektierten Gesprächspartnern – und Erdogan selbst stand zunehmend isoliert da. Und auch Katar setzt wieder auf Dialog mit seinen Nachbarn.
Am Ende konnte sich Erdogan sein resolutes Auftreten buchstäblich nicht mehr leisten: «Angesichts der wirtschaftlichen Krise der Türkei macht sich Erdogan die schwerreichen Feinde am Golf lieber zu zahlungskräftigen Freunden», schliesst Scholkmann.