Darum geht es: Im September herrschte in Japan ein ungewöhnlicher Reismangel. In vielen Supermärkten waren die Regalflächen für Reis leer, und wo es noch welchen gab, wurde die Verkaufsmenge pro Person häufig auf einen Standardsack mit fünf Kilogramm begrenzt. Die Preise stiegen um bis zu 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Inzwischen hat sich die Situation mit der neuen Ernte entspannt – doch die Preise für Reis bleiben rund 20 Prozent über jenem von vor einem Jahr. Auch darum weichen immer noch viele Japanerinnen und Japaner auf andere Nahrungsmittel aus.
Deshalb der Mangel: Die Reisknappheit im September hatte vor allem zwei Gründe: die Landwirtschaftspolitik der Regierung sowie schlechte Ernten aufgrund des Klimawandels. In Japan werden Reisbauern stark subventioniert. Weil die Nachfrage nach dem Grundnahrungsmittel in den letzten Jahren aber stetig zurückging, reduzierte die Regierung das Angebot, indem sie Reisfelder stilllegte. So sollten die Erlöse für die Bauern stabil bleiben. Doch wenn dann die Nachfrage etwas steigt, oder die Ernte schlecht ausfällt, wird das Angebot schnell knapp – Folge ist ein Reismangel.
Man muss den Reis drei- bis viermal waschen, ihn dann eine halbe Stunde einweichen und anschliessend kochen.
Weitere Gründe: Eine weitere Erklärung für den Reismangel im September sind die Hamsterkäufe vom August, wie der in Tokio lebende Journalist Martin Fritz erklärt. «Die Regierung rief die Bevölkerung dazu auf, Nahrungsmittel-Vorräte anzulegen – für den Fall eines grossen Erdbebens.» Und noch ein weiterer Grund für den knappen Reis macht in Japan die Runde: Die Ausländer seien schuld – sie würden den Japanern den Reis wegessen. Gemeint sind damit die immer zahlreicher werdenden Touristinnen und Touristen, die Japan besuchen und sich angeblich fast nur von Sushi und Maki ernährten.
Reis noch immer wichtig: Umfragen zufolge isst jede Japanerin und jeder Japaner mindestens einmal pro Tag Reis – und zwar ausschliesslich den in Japan angebauten Rundkorn-Reis. «Das ist allerdings viel weniger als früher», sagt Fritz. Noch vor einigen Jahrzehnten hätten die Menschen in Japan zu jeder Mahlzeit Reis gegessen. Heute aber fehle vielen Japanern schlicht die Zeit zur Zubereitung von Reis. «Das ist aufwendig: Man muss den Reis drei- bis viermal waschen, ihn dann eine halbe Stunde einweichen und anschliessend kochen.» Deshalb würden in Japan immer mehr Brot und Nudeln gegessen.
Der Appetit der ausländischen Touristen auf Reis hat den Japanern ein wichtiges Element ihrer Kultur ins Bewusstsein zurückgerufen.
Preis bleibt hoch: Der Reis dürfte in Japan laut dem Journalisten kaum billiger werden. Auch habe die Reiskrise im September den Japanerinnen und Japanern drastisch vor Augen geführt, wie fragil die Grundversorgung mit Reis ist. Doch auch etwas Positives für Japan und seinen Reis kann Martin Fritz der Entwicklung abgewinnen: «Der Appetit der ausländischen Touristen auf Reis hat den Japanern ein wichtiges Element ihrer Kultur – eben den Reis – ins Bewusstsein zurückgerufen.»