Der regimekritische Ökonom und Politaktivist Gubad Ibadoghlu war Ende Juli mit seiner Frau im Auto ausserhalb der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku unterwegs. Was sich dann abspielte, beschreibt seine Tochter Zhala Bayramowa so: Polizisten in Zivil seien auf ihre Eltern zugefahren, hätten deren Wagen gerammt, sie aus dem Auto geschleift, geschlagen und beschimpft. Dann seien ihre Eltern weggebracht worden, verhüllt, damit sie niemand erkennen konnte.
Seither sitzt der Ökonom in Baku in Haft. Angeklagt ist er wegen Besitzes und wegen Verbreitung von Falschgeld. Ausserdem will man extremistisches Material bei ihm gefunden haben.
Das sei völlig unglaubwürdig, sagen Bekannte, Mitstreiter und internationale Menschenrechtler wie etwa Giorgi Gogia von Human Rights Watch: «All die Vorwürfe sind offensichtlich gefälscht und dienen lediglich dem Zweck, eine wichtige kritische Stimme zum Schweigen zu bringen.»
Das sei das bekannte Vorgehen der aserbaidschanischen Regierung, die keine Kritik ertrage. Die Verhaftung von Ibadoghlu passe in dieses Muster. Internationale Organisationen schätzen, dass in Aserbaidschan mehr als 200 Personen wegen gefälschter und politisch motivierter Anklagen in Haft sitzen.
Wenn jemand mit Ibadoghlus Bekanntheit und internationalen Vernetzung so behandelt werden kann: Wie ungeschützt müssen sich dann weniger bekannten Aktivisten fühlen?
Doch im Fall Ibadoghlu, so Gogia, versuchten die Behörden nicht einmal, die Vorwürfe plausibel erscheinen zu lassen. Die Botschaft sei dafür umso deutlicher: «Wenn jemand mit seiner Bekanntheit und internationalen Vernetzung so behandelt werden kann: Wie ungeschützt müssen sich dann weniger bekannten Aktivisten fühlen?»
Zhala Bayramowa sagt dazu: Das Vorgehen gegen ihren Vater zeige, wie mächtig Präsident Ilham Alijew geworden sei und wie stark die staatliche Willkür und Unterdrückung.
Ibadoghlu seit Jahren im Exil
Der 52-jährige Ökonom Ibadoghlu befasst sich seit Jahren mit Korruption, Intransparenz und Missmanagement in Aserbaidschan. Er forschte und publizierte dazu, engagierte sich in der Zivilgesellschaft und in der Politik. Seit mehreren Jahren lebt er im Exil. Zuletzt war er an der renommierten London School of Economics tätig; er arbeitet auch für internationale Organisationen.
Viele seiner Publikationen könnten dem Regime missfallen haben: Er wies zum Beispiel nach, wie viele Luxusimmobilien die Familie des aserbaidschanischen Präsidenten Alijew allein in London besitzt. Er zeigte auf, wie sehr die Korruption Teil des autoritären Systems ist, das Alijew aufgebaut hat.
Inzwischen sitzt Ibadoghlu seit rund zwei Monaten in Haft. International mehren sich die Stimmen, die sich für ihn einsetzen. Mitte September verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution, welche die sofortige Freilassung des Wirtschaftswissenschafters verlangt. Auch das US-Aussenministerium äusserte Besorgnis.
Die Angehörigen hoffen, dass internationaler Druck Wirkung zeigen wird. Doch die jüngste Militäroffensive hat Alijews Macht noch mehr gefestigt und die Repression verstärkt: Mehrere Personen wurden jüngst festgenommen, weil sie es wagten, das militärische Vorgehen gegen Bergkarabach zu kritisieren.