Frankreichs Verfassungsrat hat die umstrittene Rentenreform der Regierung gebilligt – mit einigen Einschränkungen. Der Umsetzung steht nun rechtlich nichts mehr im Weg, auch wenn der Widerstand im Volk weiterhin stark bleibt.
Präsident Emmanuel Macron hat für die Rentenreform viel riskiert. Er hat die Erhöhung des allgemeinen Rentenalters von 62 auf 64 Jahre gegen breiten Widerstand im Volk ohne wesentliche Kompromisse durchgezogen.
Auch im Parlament hat die Regierung den Manövrierraum der parlamentarischen Spielregeln voll ausgenutzt: Sie hat die Reform in ein Budgetgesetz verpackt, das die Behandlung in den beiden Kammern des Parlaments auf je 20 Tage beschränkt hat. So haben weder die Nationalversammlung noch der Senat das Gesetz vollständig beraten können, auch weil die Opposition die Debatte mit unzähligen Änderungsanträgen in die Länge zog.
Dieser Kraftakt hat dem Präsidenten und seiner Regierung bei der Opposition und im Volk viel Kritik eingetragen: Ihr Vorgehen sei undemokratisch – zumal bei einer so wichtigen Vorlage wie einer Rentenreform.
Verfassungsrat stützt Reform
Diesem Vorwurf widerspricht nun der Verfassungsrat: Er hat den Inhalt der Reform und auch die parlamentarische Methode abgesegnet.
Rechtlich macht der Verfassungsrat so den Weg frei für die Umsetzung der Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre. Korrigiert hat er nur einige Details, weil sie nicht in ein Budgetgesetz für das laufende Jahr gehörten. Die Regierung kann nun versuchen, diese Details in anderen Gesetzen unterzubringen.
Abgelehnt hat der Verfassungsrat auch eine Art parlamentarische Initiative, die eine Volksabstimmung über das Rentenalter verlangt hatte. Weil eine ähnliche Initiative noch hängig ist, wird der Verfassungsrat diese Frage Anfang Mai nochmals prüfen. Doch die Hürde für eine solche Volksabstimmung wäre hoch. Es braucht die Unterstützung von 10 Prozent der Stimmberechtigten, also 4.8 Millionen Unterschriften.
Neue Demonstrationen
Den Rechtsstreit vor dem Verfassungsrat haben Präsident Macron und die Regierung gewonnen. Die Opposition im Volk und in der Politik reagiert mit neuen Demonstrationen. Doch die Regierung setzt offensichtlich darauf, dass dieser politische Widerstand bald nachlässt.
Dies braucht der Präsident, wenn er auch andere Teile seines Programms umsetzen will. Seit der Parlamentswahl vor einem Jahr hat seine Regierung versucht, Mehrheiten von Fall zu Fall zu bilden, mit unterschiedlichem Erfolg. Nach der Rentendebatte im Parlament glaubt sie offenbar selbst nicht mehr an diese Strategie. Die Regierung hat grössere Gesetzesprojekte zurückgezogen und will vorläufig nur noch mit kleinen Schritten vorwärtsgehen.
Kaum mehr Spielraum
Präsident Macron hat die Rentenreform ursprünglich zu seinem wichtigsten Projekt erklärt. Die Reform sollte zeigen, dass er auch ohne eigene Mehrheit im Parlament politisch handlungsfähig sei. Nun droht das Gegenteil. Die Regierung hat nur noch wenig Spielraum. Durch das Vorgehen bei der Rentenreform im Parlament hat sich Präsident Macron demokratiepolitisch beschädigt. Wenn er noch politische Partner finden will, dann darf er künftig nicht nur Kompromisse versprechen, er müsste sie auch tatsächlich suchen.