Im Ukraine-Krieg mehren sich kritische Stimmen, dass teils junge Journalistinnen, Fotografen und Kameraleute unterwegs seien, die grosse Risiken eingingen. Wiederholt gab es in den letzten Tagen Meldungen von getöteten Medienschaffenden. Dies deckt sich zum Teil mit den Erfahrungen der freien Journalistin Stefanie Glinski, die zurzeit aus der Krisenregion berichtet.
SRF News: Sie waren schon in vielen Krisenregionen, darunter im Südsudan und Afghanistan. Was muss man als Kriegsreporterin beachten und wie gehen Sie mit dem Risiko um?
Stefanie Glinski: Ganz wichtig ist, soviel Informationen wie möglich zu bekommen, bevor man sich in einen bestimmten Ort hineinwagt. Man bespricht sich mit Sicherheitsberatern, liest die Nachrichten, spricht auch mit dem ukrainischen Militär und den Abgeordneten. Man arbeitet mit einem lokalen Team, dass sich auskennt und weiss, wie man rauskommt. Nichts passiert ohne genaue Absprache. Auch das Bauchgefühl gehört ein bisschen dazu. Man muss jederzeit bereit sein, umzukehren, wenn es nicht geht oder man sich unsicher fühlt.
Man arbeitet mit einem lokalen Team. Nichts passiert ohne Absprache. Man muss jederzeit bereit sein, umzukehren.
Brenzlig war es kürzlich in der südukrainischen Stadt Mykolajiw, die momentan unter starkem Beschuss steht. Wir waren in einem Team mit Fahrer und Übersetzer, trugen schusssichere Westen und Helme und kommunizierten dauernd mit dem ukrainischen Militär. An einem Checkpoint mit Soldaten war Endstation wegen starken Beschusses. Da folgt man den Anweisungen und begibt sich nicht in Lebensgefahr für eine Story, die man vielleicht gar nie bekommt.
Ist das Risiko in der Ukraine speziell gross verglichen mit anderen Kriegsgebieten?
Das kann ich definitiv bejahen. Das Risiko ist in der Ukraine sehr schlecht abschätzbar und entsprechend schwierig zu vermindern. Alles ist sehr willkürlich. Man weiss nur, dass das russische Militär gnadenlos bombardiert. Selbst in Afghanistan war das Risiko eher abschätzbar und man wusste eher, worauf man sich einlässt. Das ist vielleicht einer der Gründe, warum in den ersten drei Wochen bereits mehrere Journalisten starben. Sie waren alle sehr erfahren und wussten an sich genau, was sie machen. Das zeigt, dass es hier ein ganz neues Risiko gibt, das viele noch nicht bemerkt haben. Das höre ich von viele erfahrene Kolleginnen und Kollegen.
Das Risiko ist in der Ukraine sehr schlecht abschätzbar und entsprechend schwierig zu vermindern.
Wie haben Sie sich auf den Einsatz in der Ukraine vorbereitet?
Ich absolvierte erneut das sogenannte Hostile Environment Awareness Training (HEAT). Es lehrt die Verhaltensregeln in einem kriegerischen Ereignis und auch einen Erste-Hilfe-Kurs. Zugleich kontaktierte ich verschiedene Sicherheitsberater und andere Berufskollegen. Ganz wichtig ist der direkte Kontakt mit meiner Redaktion, um die Lage zu besprechen und abzuklären, was möglich ist und was nicht.
Das Gespräch führte Sandro Della Torre.