Neulich stand Klara Geywitz, die Bauministerin der Ampel-Regierung, an der Fussgängerampel in Berlin. Es war rot. Und weil es in Berlin immer sehr lange dauert, bis es grün wird, entspann sich ein kleines Gespräch. Warum sie denn ohne Bodyguards an die Kabinettssitzung spaziere, fragte ich. Sie sagte: «Ich bin ja nur die Bauministerin.» Sie trug über dem Kostüm eine rote Regenjacke, an deren Kragen eine zerknüllte Kapuze baumelte, und wartete an der Ampel.
Bürokratie macht Bauen zum Alptraum
Dabei sollte die Bauministerin eine Schlüsselrolle spielen in der Regierung – ihr Sektor trägt wesentlich dazu bei, dass die Wirtschaft in Deutschland nicht wächst. Klar, hohe Zinsen und Inflation würgen vieles ab. Aber 20'000 baurelevante Vorschriften, wie kürzlich der «Spiegel» berichtete, machen es auch nicht gerade einfacher.
Die Bürokratie macht Bauen in Deutschland zum Alptraum. Die Folge: Das Baugewerbe ist im Elend – und dringendst benötigter Wohnraum fehlt, was eine SPD-Ministerin wie Geywitz zusätzlich motivieren sollte. Zwar versucht die Ministerin zu entschlacken, Normen zu vereinfachen – aber man hört ihre Stimme nicht, sie geht unter im Dauerstreit dieser Regierung.
Die Psychologie des Schrumpfens
Nun also muss Wirtschaftsminister Robert Habeck in Berlin eine Rezession verkünden, die deutsche Wirtschaft wird 2024 um 0.2 Prozent schrumpfen. Ein bisschen ist es bei diesen Grössenordnungen natürlich auch Zufall – ob es nun minus 0.2 Prozent oder plus 0.2 Prozent werden am Ende. Es ist die Psychologie des Schrumpfens, die zählt, Ängste befeuert und Zweifel wachsen lässt. Es ist Habecks offene Flanke, er muss das Rennen ums Kanzleramt ein paar Meter hinter der Startlinie beginnen.
Und zu einem grossen Teil ist Habeck auch selbst schuld – seine Wirtschaftspolitik bisher: ein ziemliches Chaos. Die Autobranche, vor allem Volkswagen, kämpft. Vielleicht fallen 30'000 Jobs weg. Mit ein Grund: Die Deutschen wollen keine Elektroautos mehr, nachdem Habeck die Kaufprämie von einem Tag auf den anderen gestrichen hat. Auch bei Investoren, Unternehmen und Häuslebauerinnen ist die Verunsicherung gross, die Zukunftsangst auch. Über-Bürokratie, ständige Kehrtwenden, verunglückte Gesetze, man kann leicht Überblick und Orientierung verlieren.
Die CDU wird angreifen
Vergessen längst die Erfolge Habecks, der ganzen Ampel: Nach dem Überfall Putins auf die Ukraine zum Beispiel, als es kein russisches Gas mehr gab, wurde schnell gehandelt, die grosse Energiekrise blieb aus. Und dass die FDP die Schuldenbremse nicht lockern will, macht staatliches Investieren nicht leichter. Was jetzt noch übrig bleibt: Die Klagen der energieintensiven Industrie darüber, dass Scholz und Habeck den Industriestrompreis nicht verbilligen.
Und genau hier, an der Schwachstelle von Habeck und Scholz, greift die CDU an. In ihrem Wahlkampf wird die Wirtschaftspolitik eine zentrale Rolle spielen, das hat Parteichef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz schon angekündigt. Bleibt die Wirtschaft so schwach, was Habeck heute allerdings nicht als realistisch ansieht, bleibt alles an der Ampel-Regierung hängen. Merz wird das bewirtschaften und den Vorteil ausspielen, aus der Opposition heraus ums Kanzleramt kämpfen zu können.
Und Robert Habeck, der Kanzlerkandidat, wird wohl lange warten müssen, bis es von rot auf grün schaltet im Kanzleramt. Wahrscheinlich ist derzeit eher, dass es schwarz wird. Die Farbe der CDU, die es auf der Ampel nicht gibt.