Seit über 30 Jahren ist Milo Djukanovic, der amtierende Präsident, in wechselnden Funktionen an der Spitze des kleinen Landes an der Adria. Doch er weiss: Noch eine Wahlniederlage kann er sich nicht leisten. Bei den letzten Parlamentswahlen vor knapp drei Jahren hat seine Partei erstmals die Macht verloren.
Seither steht er als Präsident einer Regierung gegenüber, die sich primär gegen ihn richtet. Innerhalb von zwei Jahren sind zwei Regierungen gescheitert, die letzte im vergangenen September. Seither können sich die zerstrittenen Parteien nicht auf eine neue Regierung einigen.
Djukanovic wird von sechs Kandidaten herausgefordert
Die Regierungskrise prägt den Präsidentschaftswahlkampf in verschiedener Hinsicht. Die Parteien wollten sich für eine anstehende Neuordnung in Stellung bringen, sagt Ana Nenezic, Geschäftsführerin vom Think-Tank CeMi, einer politischen Beobachtungsstelle in Podgorica. Nur so lasse sich erklären, dass gleich sechs andere Kandidaten Djukanovic herausfordern. «Die Kandidaten wollen die mediale Aufmerksamkeit nutzen, um ihre Positionen den Bürgern zu vermitteln – im Wissen um baldige Wahlen.»
Wegen der politischen Blockade rechnen alle mit vorgezogenen Neuwahlen. Denn damit erhalten die Wahlen am Sonntag ihre eigentliche Brisanz. Obwohl das Amt des Präsidenten eher repräsentative Funktionen hat, ist es eine Art Richtungswahl.
Das Land befinde sich an einem Scheideweg, sagt Jakov Devcic von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Belgrad: «Dementsprechend wird am Sonntag eine Richtungsentscheidung stattfinden, ob Montenegro weiter Richtung EU geht und an der Nato-Mitgliedschaft festhält oder ob es einen anderen Weg gehen wird.»
Das Land ist in einer tiefen politischen und institutionellen Krise.
Unter Djukanovic trat das Land der Nato bei und begab sich auf den Weg in die EU. Von diesem Kurs sei das Land unter den letzten Regierungen abgekommen, so Devcic. Und der politische Stillstand habe zu einer Polarisierung der Gesellschaft geführt. «Das Land ist in einer tiefen politischen und institutionellen Krise, und das äussert sich auch im Alltag», so Devcic.
Serbien unterstützt Parteien mit Geld
Das heisst: Man ist für oder gegen Djukanovic, und damit oft auch pro EU oder anti EU. Diese Trennlinien decken sich zum Teil mit denen der nationalen Identität, zwischen jenen, die sich als montenegrinisch oder serbisch bezeichnen.
Wenn also Djukanovic in seinen Wahlkampfclips vor einem Einfluss von aussen warnt und sich als einzigen europäischen Kandidaten präsentiert, dann positioniert er sich damit gegen die proserbischen Kräfte. Diese wollen eine Abkehr von Europa und eine Annäherung an Serbien. Sie erhielten dafür direkte Unterstützung aus Belgrad, sagt Ana Nenezic: «Gewisse Parteien werden direkt mit serbischem Geld unterstützt.» Auch über die serbisch-orthodoxe Kirche versucht Serbien, Einfluss auf das Nachbarland zu nehmen.
Käme es zu einem zweiten Wahlgang, würde sich Djukanovic als Beschützer der montenegrinischen Unabhängigkeit präsentieren, während sich der serbische Kandidat Mandic für eine Annäherung an Serbien starkmacht.
Sollte es im zweiten Wahlgang zum Duell zwischen Djukanovic und dem pro-serbischen Kandidaten kommen, könnte sich die Polarisierung weiter zuspitzen, so Nenezic: «Dann würde sich Djukanovic als Beschützer der montenegrinischen Unabhängigkeit präsentieren und für eine Westorientierung einsetzen, während sich der serbische Kandidat Mandic für eine Annäherung an Serbien starkmacht.» Ob es so weit kommt, ist offen. Absehbar scheint nur, dass es wohl einen zweiten Wahlgang geben wird, zum ersten Mal überhaupt.