Weltmeister ist er zwar nicht geworden. Doch der portugiesische Fussballspieler Cristiano Ronaldo spielt künftig in Saudi-Arabien beim Fussballclub Al-Nassr. Die Saudis bezahlen eine halbe Milliarde für den Star. Warum sie das tun, erläutert Sportökonom Christoph Breuer.
SRF News: Was erhofft sich der Club von diesem Transfer?
Christoph Breuer: Wirtschaftlich rechnen sich derlei Transfers von Superstars aufgrund derer grossen Popularität und grossen Aufmerksamkeit. Es werden verstärkt Trikotverkäufe erzeugt, und gleichzeitig tragen die Superstars mit ihrer Social-Media-Popularität dazu bei, dass für die Sponsoren der Klubs neue Aufmerksamkeit generiert wird. Auch das Medieninteresse an den Klubs steigt deutlich, sodass selbst höhere Medienerlöse für Spielübertragungen möglich sind.
Sie sagen, dieser Transfer rechne sich, obwohl Al-Nassr viel Geld auf den Tisch legt. Welche Erwartungen stecken denn hinter dem Transfer?
Ja, er rechnet sich. Aber es geht nicht um eine wirtschaftliche Erfolgsrechnung; im Hintergrund stehen sportliche Ziele für den Klub, insbesondere aber gesellschaftliche, kommunikative Ziele für Saudi-Arabien.
Was erhofft sich Saudi-Arabien von diesem Transfer?
Saudi-Arabien hat ein starkes Bevölkerungswachstum. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Einwohnerzahl um etwa 50 Prozent erhöhen. Das heisst, wir haben sehr viele junge Menschen ohne grosse berufliche Perspektive.
Dieser Transfer ist nicht nur ein innenpolitisches Instrument, sondern auch ein aussenpolitisches.
Da stellt sich für das Königshaus die Frage, wie man diese Bevölkerungsanteile zufriedenstellen kann, um eben auch die eigene Macht im Land zu sichern. Und dabei spielen eben Sport und Bewegung sowie Unterhaltung eine zentrale Rolle.
Inwiefern spielt auch der Wettbewerb mit anderen Golfstaaten eine Rolle?
Es ist nicht nur ein innenpolitisches Instrument, sondern auch ein aussenpolitisches. Die Konkurrenz im arabischen Raum ist sehr gross. Sie wird massgeblich durch religiöse und historische Konstellationen und Motive angetrieben.
Es stachelt das grösste Land enorm an, wenn ein sehr kleiner Nachbar, mit dem man doch eine harte Konkurrenz hatte, sehr erfolgreich eine Fussballweltmeisterschaft organisiert hat. Als grosser, reicher Nachbar möchte man sich das nicht ohne Weiteres bieten lassen. Man will die Aufmerksamkeitsplattform des internationalen Profifussballs auch selbst nutzen. Da war es für das Land folgerichtig, dass Ronaldo bei Al-Nassr spielt.
Die Auswüchse der Kommerzialisierung sind nichts Neues im Männerfussball. Seit Jahrzehnten schaukelt sich das Ganze nach oben. Doch hier wird nicht einfach innerhalb des Fussballgeschäfts gekauft und verkauft. Der Fussball wird zum Marketingtool für das ganze Land. Inwiefern bedeutet dieser Ronaldo-Transfer eine neue Dimension?
Wenn es mit dem Transfer direkt oder indirekt gelingt, den Public Investmentfonds von Saudi-Arabien zu nutzen, dann strömen noch ganz andere Geldmassen in den Profifussball und dadurch wird die Kommerzialisierungsspirale zusätzlich angeheizt. Es geht nicht mehr nur darum, Sportstars zu erwerben, um die Erfolgswahrscheinlichkeit einzelner Klubs zu erhöhen, sondern es geht darum, ganze Staaten aussenpolitisch attraktiver zu machen und innenpolitisch zu befrieden.
Das Gespräch führte Nicolas Malzacher.