Rund 65'000 Schutzsuchende aus der Ukraine leben derzeit mit dem sogenannten Status S in der Schweiz. Während ihre Zahl zu Beginn des Kriegs stark anstieg, ist sie nun seit Monaten relativ stabil. Das liegt auch daran, dass sich die Frontlinien im Krieg kaum noch verschieben.
Zunehmend gibt es nun auch Geflüchtete, die zurückkehren wollen, trotz Winter und andauernden Angriffen auf die zivile Infrastruktur.
Rückkehr: «Praktisch täglich Anmeldungen»
Lea Meier berät bei der kirchlichen Kontaktstelle für Flüchtlingsfragen in Bern Geflüchtete, die zurückwollen. Die Rückkehrberatung hat ein Mandat des Bundes. «Wir haben praktisch täglich Anmeldungen», so Meier, die Ukraine gewinne bereits seit vergangenem Sommer an Bedeutung.
Wer sich für eine Rückkehrberatung anmeldet, erhält neben Informationen unter anderem ein Ticket für die Heimreise und finanzielle Unterstützung in der Höhe von 500 Franken bei Erwachsenen und 250 Franken bei Kindern.
Das Angebot ist auch gefragt, weil die Zahl der Rückreisen steigt. Seit September wurde – mit einer Ausnahme – monatlich jeweils deutlich über tausendmal der Status S beendet. Dies in der Regel, weil Betroffene aus der Schweiz ausreisen.
Schweiz nähert sich Kipppunkt
Weil zugleich die Zahl der Neuerteilungen des Status S gesunken ist, nähert sich die Schweiz langsam einem Kipppunkt. «Falls die russische Seite keine weiteren Geländegewinne macht, könnte man davon ausgehen, dass gegen Sommer mehr Leute die Schweiz verlassen, als dass sie ein Schutzgesuch stellen», erklärt ein Sprecher des Staatssekretariats für Migration SEM.
Falls die russische Seite keine weiteren Geländegewinne macht, könnte man davon ausgehen, dass gegen Sommer mehr Leute die Schweiz verlassen, als dass sie ein Schutzgesuch stellen.
Insgesamt wurde der Status S seit Kriegsbeginn bei 8800 Personen aufgehoben. Etwa ein Viertel der Betroffenen nahm die Rückkehrberatung in Anspruch. «Wir informieren, dass man sich bei der Gemeinde abmelden sollte», sagt Rückkehrberaterin Meier. Auch praktische Fragen wie die Kündigung eines Handy-Abonnements würden geklärt.
Allerdings melden sich längst nicht alle Betroffenen offiziell ab, wenn sie die Schweiz verlassen. Mitunter würden die Gemeinden erst erfahren, dass die Geflüchteten abgereist sind, wenn die Sozialhilfe nicht mehr bezogen werde oder die Kinder nicht mehr in der Schule auftauchten, heisst es beim SEM.
Eine junge Frau bei mir in der Beratung wollte ihre Ausbildung in der Ukraine weiterführen.
Wer jetzt schon zurückreise, gehe oft in Gebiete, die relativ weit weg von der Front liegen, so Meier. Und wer jetzt gehe, habe gute Gründe. «Eine junge Frau bei mir in der Beratung wollte ihre Ausbildung in der Ukraine weiterführen.» Auch eine Mutter mit zwei Kindern habe sich beraten lassen. Neben dem Heimweh habe auch ein drohender Arbeitsplatzverlust in der Ukraine zum Rückreise-Entscheid geführt.
Das sagt auch Andrej Lushnicky, Präsident des ukrainischen Vereins in der Schweiz und Honorarkonsul seines Landes. Die allermeisten wollten irgendwann zurück, wer aber jetzt schon gehe, sehe oft nur zwei schlechte Optionen: Bleiben oder Rückkehr.
Timing «nicht ideal»
«Es gibt auch Frust bei einigen, die hier sind. Sie fühlen sich weit weg von zu Hause», so Lushnicky. Zudem hätten nur etwa 15 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine in der Schweiz Arbeit gefunden. «Es kann sein, dass diese Menschen ihr altes Leben zurück haben wollen.»
Allerdings sei das Timing dafür «nicht ideal», so Lushnicky. Der Winter habe gerade erst begonnen. Die unzuverlässige Versorgung mit Wasser, Strom und Heizung, dazu die russischen Angriffe: All das mache eine Rückkehr aktuell sehr schwierig.