«Es war, wo ich meine Sporen als Reporterin abverdient habe», sagte die Journalistin Lisa Millar jüngst im australischen Fernsehsender ABC, mit Tränen in den Augen. Ihr Lokalblatt ist tot – gestorben nach über hundert Jahren. Artikel über den Rugbyclub, das Wetter, Nachrufe: Alltag einer Lokaljournalistin – und Sprungbrett in eine grosse Karriere.
Das vom gebürtigen Australier Rupert Murdoch geführte US-Unternehmen News Corp hat über 130 Lokalzeitungen stillgelegt oder die Publikation ins Internet verlegt. Vor allem ältere Leute, für die ein «Apple» noch ein Apfel ist und nicht ein Smartphone, verlieren damit ihre einzige Quelle lokaler Informationen.
Rupert Murdoch – ein Leben in Bildern
-
Bild 1 von 8. Der bisher letzte öffentliche Auftritt. Im Juni 2019 musste der damals 88-jährige Medienmogul Rupert Murdoch mit einer Lungenentzündung in Spitalpflege gebracht werden. Im November 2019 nahm Murdoch an einem Essen der Wohltätigkeits-Organisation «Citymeals on Wheels» in New York teil. Bildquelle: imago images.
-
Bild 2 von 8. Murdochs Vater begründete das Medienimperium. Eine Gedenkplakette in der St. Bride's Kirche in London erinnert an den Vater von Rupert Murdoch. Keith Murdoch begann nach einer Zeit in Grossbritannien ab 1915 in Australien zunächst als Chefredaktor des «Melbourne Herald» ein Medienimperium aufzubauen. Nach seinem Tod übernahm Sohn Rupert zunächst die Zeitung «The News» in Adelaide. Bildquelle: Getty Images.
-
Bild 3 von 8. Erfolg und Ärger in Grossbritannien. Rupert Murdoch erweiterte Ende der 1960er-Jahre von Australien aus sein Medienimperium mit den britischen Zeitungen «News of the World» und «The Sun». Später gründete er unter anderem den TV-Sender Sky. 2011 kam es zum Abhörskandal um «News of the World» mit der damaligen Chefredaktorin Rebekah Brooks. Die Zeitung schloss daraufhin nach 168 Jahren. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 4 von 8. Erste Schritte in Amerika. Der gebürtige Australier Rupert Murdoch zog 1974 nach New York, um in den USA Fuss zu fassen. Im Bild verlässt er 1977 ein Gerichtsgebäude in New York. Beim Prozess ging es um die Übernahme diverser US-Magazine. 1985 nahm Murdoch die US-Staatsbürgerschaft an, vor allem weil ihm das den Einstieg ins Fernsehgeschäft erleichterte. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 5 von 8. Das konservative News-Netzwerk. Zusammen mit Roger Ailes als Geschäftsführer kündigte Rupert Murdoch 1995 an, in den USA ein eigenes konservatives Kabelnews-Netzwerk als Konkurrenz zu CNN zu gründen. Fox News ging 1996 auf Sendung und ist mittlerweile das dominierende News-Netzwerk in den USA. Roger Ailes (links) trat 2016 nach einem Sex-Skandal zurück, Rupert Murdoch übernahm. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 6 von 8. Rupert Murdochs Nachfolge. Rupert Murdoch mit seinem ältesten Sohn aus zweiter Ehe, Lachlan Murdoch 2005. Im selben Jahr trat Lachlan überraschend als leitender Angestellter von Rupert Murdochs News Corporation zurück. Mittlerweile gilt er wieder als Nachfolger seines Vaters und ist seit 2019 CEO der Fox Corporation, das Unternehmen mit dem konservativen Sender Fox News. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 7 von 8. Auch Murdochs zweiter Sohn im Familienunternehmen. James Murdoch war 2011 für das britische Zeitungsgeschäft verantwortlich, als der Abhör-Skandal publik wurde und die Zeitung «News of the World» eingestellt werden musste. Mittlerweile sitzt James – hier 2012 an einem Gerichtstermin mit seiner Frau Kathryn – unter anderem im Verwaltungsrat von News Corp, dem Medienunternehmen seines Vaters. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 8 von 8. Die vierte Ehe – mit Jerry Hall. 2015 kamen Gerüchte auf, dass Jerry Hall, ehemaliges US-Model und Ex-Ehefrau von Mick Jagger, und Rupert Murdoch sich näher gekommen seien. Anfang 2016 kündigte der damals 85-Jährige in seiner eigenen Zeitung «The Times» die Hochzeit an. Am 4. März 2016 heirateten die beiden in der St. Bride's Kirche in London. Bildquelle: Keystone.
News Corp macht Covid-19 für den Kahlschlag verantwortlich. Der Medienwissenschaftler Martin Hirst sieht dagegen einen «rücksichtslosen Geschäftsentscheid», für den er aber durchaus etwas Verständnis habe. Wegen der grossen Distanzen und der kleinen Bevölkerung sei der Druck von lokalen Zeitungen in Australien seit jeher ein schwieriges Vorhaben.
Aber: Der Konzern habe erst vor Kurzem von der Regierung 60 Millionen Franken erhalten, um die Lokalblätter zu stützen. Trotzdem jetzt dieser Entscheid. «Die Leute fragen sich nun, wo dieses Geld ist», so Hirst.
Aggressive Kampagne gegen die Opposition
Premierminister Scott Morrison wird Rupert Murdoch kaum fragen. Dessen konservative Regierung ist dem Medienmogul zu Dank verpflichtet. Nur dank seiner Unterstützung sei Morrison überhaupt noch an der Macht, meinen Beobachter.
Eine aggressive, von Halbwahrheiten und wilden Behauptungen durchsetzte Medienkampagne gegen die sozialdemokratische Opposition im Vorfeld der Wahlen 2019 hatte der Regierung zur unerwarteten Wiederwahl verholfen.
«Murdoch beeinflusst die Wahlen schon seit 1972, als ich das erste Mal wählen konnte», reflektiert Medienexperte Hirst. Eine Journalistin meint, die Macht des 89-Jährigen reiche so tief in die australische Politik, «dass jeder, der ihm im Weg steht, es bald bereuen wird, weil er in einem Sumpf von Propaganda, Hetze und Verleumdung untergeht».
Die Medienauswahl schrumpft
Rupert Murdoch ist Gründer und Herrscher über eines der mächtigsten Medienkonglomerate der Welt. 39 Prozent der Aktien sind im Besitz seiner Familie. In den USA ist der Murdoch-Konzern über den Fernsehkanal Fox News wichtigste Informationsquelle für Millionen konservativer Wähler und Trump-Anhänger.
In Australien publiziert News Corp den Grossteil der Druckmedien, darunter die einzige landesweite Tageszeitung. In einigen Städten ist ein Murdoch-Boulevardblatt die einzige gedruckte Informationsquelle. Dazu betreibt News den Fernsehkanal Sky News. Bezüglich politischer Ausrichtung und journalistischer Aggressivität steht er Fox News um wenig nach.
«Mit einem Vermögen von etwa 27 Milliarden Franken, verteilt auf Mehrheitsbeteiligungen an News Corp und Fox Corp sowie einer Beteiligung am Unterhaltungskonzern Disney von 20 Milliarden Franken in den USA sind die Murdochs Australiens reichste Familie», rechnet der Journalist Stephen Mayne vor. Er ist einer von wenigen australischen Reportern, die den Einfluss Murdochs seit Jahren kritisch verfolgen.
Selbst Mitarbeitende von konkurrierenden Medienunternehmen üben Selbstzensur, wenn es um Murdoch geht. Denn sie wissen nicht, ob sie nicht selbst einmal auf einen Job bei News Corp angewiesen sind. Die Auswahl an Medien schrumpft: 2018 fusionierte das einst für Qualitätsjournalismus stehende Verlagshaus Fairfax mit der mehrheitlich von Boulevard lebenden «Nine Entertainment»-Gruppe.
Neoliberale Ideologie
Kritikern zufolge haben Murdoch-Titel schon vor Jahren den Anspruch verloren, sie würden balancierten Journalismus produzieren. «Die Botschaft – sowohl unterschwellig als auch offen – ist die gleiche: Konservative gut, Progressive schlecht», fasst das Medienportal Independent Australia zusammen.
Ein Blick in eine News-Publikation zeigt, dass Journalisten sowohl in Berichten als auch in Kommentaren scheinbar ungehemmt von journalistischen Normen neoliberale Ideologie propagieren. Dies sei die Weltanschauung Murdochs, sagen Experten wie Hirst, eine Ideologie, wie sie auch von der konservativen Seite der australischen Politik verfolgt werde.
Der Umgang mit der Murdoch-Mafia ist, wie wenn man jeden Tag ausgeweidet würde.
Kulturkrieg statt Berichterstattung: Vermeintlich «linke» Themen wie erneuerbare Energien, Multikulturalität, Flüchtlinge und öffentliche Medien sehen sich konstanter Kritik ausgesetzt. Vom Menschen verursachter Klimawandel, dessen Existenz gewisse Journalisten bis heute leugnen, ist Reizthema Nummer 1.
Die Ex-News-Mitarbeiterin Emily Townsend kündigte ihren Job, weil sie die «Fehlinformationskampagne» ihres Arbeitgebers zugunsten der politisch mächtigen Kohleindustrie moralisch nicht mehr verantworten konnte. Murdoch trete dabei in den Redaktionen nicht als Diktator auf, so der Ex-News-Corp-Journalist Peter Fray gegenüber SRF. «Er sagte uns nicht, was wir schreiben sollen. Wir wussten aber, was er von uns erwartet.»
Murdoch-Medien als Meinungsmacher
«Der Umgang mit der Murdoch-Mafia ist, wie wenn man jeden Tag ausgeweidet würde», so der frühere Premierminister Kevin Rudd jüngst in einer Rede. Er fordert eine Untersuchung um den Einfluss Murdochs, den Mann, den er als «grössten Krebs, der die australische Demokratie zerfrisst» bezeichnet.
Eine unerbittliche Kampagne der News-Corp-Medien hatte den Sozialdemokraten gleich zweimal das höchste politische Amt gekostet. Seine Nachfolgerin Julia Gillard, die erste Frau an der Spitze der australischen Regierung, ging in einem Bombardement von Frauenhass der Murdoch-Titel unter. Selbst der konservative Premierminister Malcolm Turnbull wurde ein Opfer, weil er – zaghaft – gegen Klimawandel vorgehen wollte.
Nur ein Ziel scheint derzeit für Murdoch noch wichtiger zu sein als die Verhinderung von Klimaschutz: das Ende des Senders ABC. News Corp fordert die Privatisierung der vermeintlich «linken» öffentlichen Fernseh- und Radioanstalt.
Kritiker meinen, Murdoch gehe es dabei nicht nur um die Zerstörung einer der letzten Bastionen von Qualitätsjournalismus, sondern um das Ausschalten eines Konkurrenten, der mit Steuergeldern finanziert anbiete, womit Murdoch Geld verdienen möchte. Das mediale Dauerfeuer zeigt Erfolg: Die konservative Regierung hat dem Sender in den letzten Jahren hunderte von Millionen Franken an Mitteln entzogen.