Noch vor wenigen Monaten führte die Republik San Marino bei der Todesrate die Statistiken in der Corona-Pandemie weltweit an: insgesamt 88 Tote bei knapp 34’000 Einwohnern und über 5000 Ansteckungen. 2020 starben in der Hochphase der Viruszirkulation an Covid-19 auf 100'000 Personen umgerechnet 230 Menschen. Im Vergleich waren es in der Schweiz in der zweiten Welle im Herbst rund 50.
Heute ist die Infektionsrate gleich null und die Restaurants sind auch abends wieder geöffnet. Die Wende kam mit 68’000 Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V, der seit Anfang April verabreicht wird. Bis Ende Mai sollen alle Volljährigen in der Mini-Republik komplett geimpft sein.
Die EU und Italien hätten liefern sollen
Eigentlich sollte San Marino von Italien mit Impfdosen versorgt werden – bilateral vereinbart, wie auch Andorra mit Spanien oder Monaco mit Frankreich. Denn diese europäischen Kleinststaaten gehören nicht zur Europäischen Union und können deshalb auch nicht direkt am Brüsseler Verteilprogramm für Impfstoffe teilnehmen.
Doch noch im Februar war keine Lieferung aus Italien in Sicht. Der grosse Nachbar kämpfte selbst mit Impf-Engpässen.
Russland liefert innert Tagen
Da meldete sich der russische Botschafter und versprach Abhilfe. Über den Russian Direct Investment Fund (RDIF) sollte San Marino innerhalb weniger Tage den Impfstoff Gam-Covid-Vac alias Sputnik V erhalten. Am 23. Februar erfolgte eine erste Lieferung.
Am 7. April begleitete eine russische Delegation eine weitere grössere Lieferung und sorgte auch in Moskau für die nötige mediale Verbreitung: Sputnik V rette die Einwohner von San Marino, die von Italien und Europa einfach im Stich gelassen wurden – so die Nachricht:
In San Marino stehen die Einwohner Schlange für den Impfstoff Sputnik V. Der Gesundheitsdirektor des Spitals verbucht eine Impfung mit bislang wenigen bis keinen Nebenwirkungen – vergleichbar mit einer Grippeimpfung.
Kurz vor der Herdenimmunität
Mitten in Westeuropa wird der russische Covid-19-Impfstoff an die Bevölkerung eines ganzen Landes verabreicht, ohne dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMA überhaupt einen genauen Zeitplan für dessen Zulassung in Aussicht stellen kann.
Die russische Impfdiplomatie in San Marino ist ein Erfolg. Mit vergleichbar wenig Aufwand steht mitten in Kontinentaleuropa der erste Staat kurz vor der Herdenimmunität. Das erhöht den Druck auch auf jene Staaten der EU, in denen immer mehr Menschen fordern, Sputnik V als zusätzlichen Impfstoff einzuführen.