Die Reaktionen nach dem Tod des Kremlkritikers Alexej Nawalny liessen nicht lange auf sich warten. Und der Tenor ist eindeutig: Niemand nimmt die Unschuldsbekundungen Moskaus für bare Münze. Lakonischer Kommentar aus Moskau zu den Reaktionen: Die Erklärungen westlicher Politiker seien inakzeptabel und «absolut tollwütig», wird Kreml-Sprecher Dmitri Peskow von Interfax zitiert.
Dabei wagen es selbst in Russland einige Mutige, auf die Nachricht von Nawalnys Tod zu reagieren. Trotz eines hohen Polizeiaufgebots standen etwa im Moskauer Stadtzentrum Menschen Schlange, um Blumen an einer Gedenkstelle für Opfer politischer Repression abzulegen. Auch aus St. Petersburg, Jekaterinburg, Nischni Nowgorod und mehreren anderen Städten gab es ähnliche Bilder. Nawalnys Frau wandte sich an der Münchner Sicherheitskonferenz kurz nach der Nachricht vom Tod ihres Mannes ans Publikum. Sie rufe die gesamte internationale Gemeinschaft dazu auf, zusammenzustehen.
Der russische Oppositionspolitiker und abgelehnte Präsidentschaftsbewerber Boris Nadeschdin zeigte sich öffentlich bestürzt.
Abscheu und Entsetzen im Westen
US-Präsident Joe Biden hat Kremlchef Wladimir Putin direkt für den Tod von Nawalny verantwortlich gemacht. Biden betonte, dass trotz Unklarheiten über den Vorfall kein Zweifel daran bestehe, dass Nawalnys Tod eine Folge von Putins Handeln sei. Staatssekretär Antony Blinken sagte derweil in München, dass der Tod des russischen Oppositionsführers, wenn er wahr ist, unterstreiche, was er als «Schwäche und Fäulnis» des von Präsident Putin aufgebauten Systems bezeichne. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Vizepräsident Josep Borrell erklärten, die EU werde alles in ihrer Macht Stehende tun, um Russland für den Tod Nawalnys zur Rechenschaft zu ziehen.
Proteste nach Nawalnys Tod
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Bild 1 von 5. Der russische Oppositionsführer und scharfe Kremlkritiker Alexej Nawalny ist im Alter von 47 Jahren in einer Strafkolonie des Föderalen Strafvollzugsdienstes des Autonomen Bezirks der Jamal-Nenzen gestorben. In Genf vor dem UNO-Hauptquartier versammelten sich Trauernde und Protestierende. Bildquelle: Keystone / Martial Trezzini.
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Bild 2 von 5. Während einer Demonstration in Zürich nach dem Tod von Alexej Nawalny machen Protestierende deutlich, wen sie für schuldig am Tod des Kremlkritikers halten. Bildquelle: Keystone / Michael Buholzer.
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Bild 3 von 5. Es ist nicht nur Protest. Viele Menschen sind schlicht nur traurig und schockiert, wie hier bei einer grösseren Demonstration in Berlin. Bildquelle: Keystone / Kay Nietfeld.
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Bild 4 von 5. Klare Worte an der Demo in Berlin. Für viele Menschen ist der russische Präsident Wladimir Putin «ein Mörder» und sein Regime menschenverachtend. Bildquelle: Keystone / Kay Nietfeld.
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Bild 5 von 5. Für viele Demonstrierende – wie hier vor dem russischen Generalkonsulat in Bonn – ist eine russisch-europäische Zukunft mit Putin kaum mehr denkbar. Bildquelle: Keystone / Benjamin Westhoff.
Auch das EDA hat sich bestürzt geäussert. Der Russe sei ein Verfechter der Demokratie und der Grundrechte gewesen, schrieb das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Das EDA erwarte, dass eine Untersuchung über die Todesursache eingeleitet werde. Ins gleiche Horn stiess UNO-Generalsekretär Antonio Guterres mit seiner Forderung nach einer «umfassenden, glaubwürdigen und transparenten Untersuchung».
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte entsetzt auf Berichte über den Tod Nawalnys. «Wir wissen aber nun auch ganz genau, spätestens, was das für ein Regime ist», sagte der SPD-Politiker.
Im Zusammenhang mit Nawalnys Tod hat das UNO-Menschenrechtsbüro von Moskau die Freilassung aller staatlich Verfolgten gefordert. Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen sei «entsetzt» über Nawalnys Tod, sagte die Sprecherin. Entsetzen kommt auch aus zahlreichen Aussenministerien von Riga bis Washington. So hat Frankreichs Aussenminister Stéphane Séjourné auf X geschrieben, Alexej Nawalnys Tod in einer Strafkolonie erinnere uns an die Realität des Regimes von Wladimir Putin.
EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb ebenfalls auf der Plattform X: «Die EU macht das russische Regime allein für diesen tragischen Tod verantwortlich.»
Der britische Premierminister Rishi Sunak hat den Tod des russischen Kremlkritikers als «schreckliche Nachricht» bezeichnet. «Als schärfster Verfechter der russischen Demokratie hat Alexej Nawalny sein Leben lang unglaublichen Mut bewiesen», schrieb der Regierungschef auf X. «Meine Gedanken sind bei seiner Frau und dem russischen Volk, für das dies eine gewaltige Tragödie ist.»