In den letzten Monaten war oft zu hören, im zerstrittenen Spanien eine Regierung zu bilden, sei die Quadratur des Kreises. Geschafft hat sie der Sozialist Pedro Sánchez, der alte und nun auch neue Regierungschef. Seine Mehrheit im Parlament hatte er sich in zähen Verhandlungen erarbeitet. Der Knackpunkt: eine Amnestie – also Straffreiheit für alle, die an der illegalen Volksabstimmung zur Unabhängigkeit von Katalonien im Jahr 2017 beteiligt waren.
Harte Vorwürfe von rechts
Diese Amnestie sorgt bei den rechten Parteien für harsche Kritik. Besonders auch, weil Sánchez sich früher jeweils noch dagegen ausgesprochen hatte. Von Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo musste Sánchez sich deshalb den Vorwurf anhören, mit seinem Gesinnungswandel für eine Amnestie habe er «das Wahlvolk betrogen».
Für die Mehrheit im Parlament aber ist die Amnestie ein Neuanfang, ein probates Mittel, um den Katalonienkonflikt auf politischem Weg zu lösen. Sanchez sprach vom «Weg des Dialogs, des Verständnisses und der Vergebung».
Einigung steht auf wackeligen Beinen
Das klingt hoffnungsvoll. Und es ist ein hehres Ziel, denn der Konflikt hat in der spanischen Gesellschaft tiefe Gräben aufgerissen. Allzu früh freuen sollte man sich dennoch nicht. Die Einigung zwischen Sánchez' sozialistischer Partei und den separatistischen Kräften steht nach wie vor auf wackeligen Beinen.
Die katalanischen Parteien halten die Amnestie nämlich grundsätzlich für einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer neuerlichen Abstimmung über die Unabhängigkeit – was die Sozialistinnen und Sozialisten hingegen kategorisch ablehnen. In diesem Punkt sind die beiden Partner von einer Einigung weit entfernt.
«Junts» macht das Regieren nicht einfacher
Das neue Regierungsbündnis ist zwar sicherlich ein erster Schritt für mehr Verständigung. Eine reibungslose Zusammenarbeit kann es aber nicht garantieren. Und: Mit der katalanischen Separatistenpartei Junts hat Sanchez nun eine Partei im Boot, die nicht nur gegen den Zentralstaat wettert, sondern auch bürgerlich ausgerichtet ist. Auch das dürfte das Regieren nicht einfacher machen.
Nicht zu vergessen: Auch von der anderen politischen Seite wird der Druck hoch bleiben. Der Kampf gegen die geplante Amnestie wird weitergehen, im Parlament, vonseiten der Justiz und von der Strasse – weitere grosse Demonstrationen sind bereits angekündigt. Dass Pedro Sánchez auch dort den Weg des Dialogs und Verständnisses finden wird, muss er erst noch beweisen.