SRF News: Sie sind gerade aus Teheran zurückgekehrt. Wie spricht man dort über die neue Regierung von Donald Trump?
Reinhard Baumgarten: Die Leute sind – zumindest auf der Strasse – nicht besonders hoffnungsvoll. Vor allem nach diesen ersten Zeichen. Denken wir an den Einreisestopp für sieben Länder. Von allen Menschen, die insgesamt davon betroffen sind, sind ungefähr 50 Prozent Iraner. Denn die grösste Gruppe an Visa-Suchenden, wenn man diese sieben Länder anschaut, stammt aus dem Iran. Diejenigen, die sich jetzt zufrieden die Hände reiben, sind die Hardliner im Iran. Sie können sehr gut damit leben, dass Washington nun wieder mehr auf Konfrontationskurs geht. Denn sie sind die Krisengewinnler. Sie haben in der Zeit der Krise, vor allem unter dem letzten Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, ihre Position massiv ausbauen und eine gigantische wirtschaftliche und politische Macht erreichen können.
Muss man also davon ausgehen, dass der Iran diese umstrittenen Raketentests nicht zufällig jetzt durchgeführt hat?
Nein, das war auch nicht das erste Mal, dass das geschieht. Solche gab es auch schon unter der Obama-Regierung. Diese hat auch immer wieder protestiert und es im UNO-Sicherheitsrat besprochen, hat immer wieder mit Sanktionen gedroht, aber nichts unternommen. Nun haben wir mit Donald Trump einen neuen Präsidenten, der gegenüber Iran eine sehr harte Haltung einnimmt. Er ist alles andere als eine Taube, er ist ein Falke. Er hat in einem Tweet am Wochenende deutlich gemacht, Iran spiele mit dem Feuer. Sie hätten nicht geschätzt, wie nett Obama zu ihnen gewesen sei. «Ich bin es nicht», schrieb er. Das sagt im Grunde schon alles. Und die ersten Massnahmen – nicht so sehr die Sanktionen, eher die Äusserungen – deuten schon darauf hin, dass jetzt ein anderer Wind weht.
Donald Trump hat in einem Tweet am Wochenende deutlich gemacht, Iran spiele mit dem Feuer.
Wenn nun jemand im Weissen Haus sitzt, der «nicht nett» ist, müsste denn Teheran in dieser Situation nicht jede Provokation vermeiden?
Ja, Teheran hat jede Menge zu verlieren. Aber es ist so, dass die islamische Republik Iran seit der Botschaftsbesetzung im Herbst 1979 eine wesentliche Ideologie hat: Die gepflegte Feindschaft zu den USA und zu Israel. Es gibt Staaten, die sich an ihren Freunden ausrichten. Und es gibt Staaten, dazu gehört Nordkorea und unter anderem auch der Iran, die immer wieder dieses Feindbild brauchen. Die neuen Rechten, die in Europa jetzt ihr Unwesen treiben, machen es nicht anders.
Es wird immer das Negative genommen. So macht es das Regime in Teheran seit 38 Jahren. Die Orientierung ist immer am Feind, in dem Fall an den USA. Wenn der Feind verloren geht – die iranische Bevölkerung ist ja sehr USA-freundlich –, geht eine wichtige Ideologie und eine Stütze des Regimes verloren. Und mit Donald Trump können sie sich sicher sein, dass dieses Feindbild neu zementiert wird.
Mit neuen Sanktionen wird wieder eine grosse Unsicherheit in das Geschäftsleben hineingetragen.
Viele der alten Sanktionen haben die USA noch gar nicht aufgehoben. Tun diese zusätzlichen angekündigten Sanktionen dem Iran überhaupt weh?
Es geht nicht so sehr darum, dass das konkret schmerzt. Aber es wird damit wieder eine grosse Unsicherheit in das Geschäftsleben hineingetragen. Der Iran versucht seit Sommer 2015, nach dem Abschluss des Atomabkommens, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Das Land erhält natürlich durch neue Sanktionsankündigungen und die Unberechenbarkeit von Herrn Trump einen mächtigen Dämpfer, was das Investitionsaufkommen angeht. Wer geht denn dort hin? Total, der französische Ölriese, hat es vor, Boeing verkauft Flugzeuge.
Aber wer noch? Es geht ja auch um die vielen kleinen Firmen. Jetzt ist gerade eine Wirtschaftsdelegation aus Deutschland da, es waren auch Franzosen da. Die wollen alle Geschäfte machen. Es sind nicht immer nur die Grossen wie Shell, Total und Siemens. Die vielen kleinen – das «Kleinvieh» – macht den entscheidenden «Mist».
Was heisst das für die nächsten Wahlen in Iran, die im Mai stattfinden sollen?
Das Vorgehen stärkt natürlich die Position der Hardliner im Land. Und letztlich wird es Auswirkungen haben auf den Präsidenten, der in seinem Spielraum immer mehr eingeengt wird. Es gibt im Moment keinen namhaften konservativen Gegenkandidaten. Aber Hassan Rohani ist ein König ohne Land. Bei einer Eskalation oder Konfrontation hat er mit seinem ohnehin schon beschränkten Spielraum noch weniger Möglichkeiten, Reformen oder Änderungen durchzusetzen.
Es läuft darauf hinaus, dass der Iran nach einem Schritt vorwärts nun wieder zwei Schritte zurück macht. Aber es ist nicht so, dass ich Trump den alleinigen, grossen Schwarzen Peter zuschiebe. Der Iran hat anderthalb Jahre Zeit gehabt, sich mit der Obama-Administration ans Werk zu machen und sich der Welt anzunähern und sich zu öffnen. Wenn Trump sagt, er sei nicht so nett zum Iran wie Obama, bringt er es eigentlich relativ gut auf den Punkt.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.