Das Ziel, noch vor den US-Wahlen das Atomabkommen mit Iran zu beerdigen, hat hohe Priorität auf der aussenpolitischen Agenda von Präsident Donald Trump. Deshalb setzen die USA jetzt einen Mechanismus in Gang, der sämtliche UNO-Sanktionen gegen Iran binnen dreissig Tagen wieder einführt. So soll Teheran zur Kündigung des Abkommen gedrängt werden. Die USA schaffen damit im UNO-Sicherheitsrat einen tiefen Graben, auch zu ihren traditionellen Verbündeten Grossbritannien, Frankreich und Deutschland.
Dürfen die USA das überhaupt?
Snapback- oder auf Deutsch Zurückschnapp-Mechanismus heisst das Verfahren, das im Atomabkommen mit Iran enthalten ist. Es soll dafür sorgen, dass innerhalb von einem Monat automatisch und ohne Veto-Möglichkeit sämtliche weltweit verbindlichen Sanktionen wieder eingeführt werden, falls Teheran das Abkommen verletzt. Das tut Iran, zumindest punktuell, was alle Welt weiss. Es tut es allerdings als Reaktion auf amerikanische Sanktionen. US-Aussenminister Mike Pompeo löste jetzt in einem Brief an den UNO-Sicherheitsrat und in einem Gespräch mit UNO-Generalsekretär Antonio Guterres den Snapback-Mechanismus aus. Die grosse Frage ist: Dürfen die USA das überhaupt? Denn sie sind 2018 aus dem Iran-Atomabkommen ausgestiegen. Die USA berufen sich hingegen darauf, dass das Iran-Atomabkommen nicht nur ein Vertrag ist zwischen den Unterzeichnerstaaten, sondern zugleich Inhalt einer UNO-Resolution – und in dieser werden die USA als Vertragspartner genannt.
Die übrigen vier UNO-Vetomächte China, Russland, Grossbritannien und Frankreich und ebenso der weitere Mitunterzeichner des Atomabkommens Deutschland kritisieren das Vorgehen der USA als rechtswidrig. Sie sehen darin Diplomatie mit dem Brecheisen. Und sie alle wollen am Atomabkommen festhalten. Obschon es nicht perfekt ist, sehen sie darin eine Bremse für die nuklearen Ambitionen des Regimes in Teheran.
Trump will sich als starken Mann aufspielen
Pompeo wirft deshalb nun den europäischen Verbündeten vor, sie stellten sich an die Seite der Ajatollahs, weil sie sich der amerikanischen Taktik des «maximalen Drucks» auf das Mullah-Regime verweigern. Für Trump ist die Kraftmeierei gegenüber dem Iran die Gelegenheit, sich aussenpolitisch als starken Mann aufzuspielen. Zumal er auf der Weltbühne bisher erfolglos blieb. Niemand kann zur Stunde sagen, wie es nun weitergeht. Eine Möglichkeit, die aber im Grunde keine ist, bestünde darin, dass der UNO-Sicherheitsrat mit einer neuen Resolution, welche Sanktionen gegen Iran aussetzt, den «Snapback»-Mechanismus unterläuft. Bloss: Einen solchen Versuch könnten und würden die USA mit einem Veto stoppen. Denkbar ist ebenfalls, dass die vierzehn übrigen Mitglieder des mächtigsten UNO-Gremiums das Vorpreschen der USA rundweg ignorieren. Unklar ist, wie die USA darauf reagieren werden. Drohungen an jene, die sich ihnen widersetzen, hat Pompeo bereits geäussert. Offenkundig ist hingegen, dass die USA den seit längerem zerstrittenen UNO-Sicherheitsrat einer Zerreissprobe aussetzen. Die Spaltung verläuft diesmal nicht mehr zwischen China, Russland und den Westmächten, sondern zwischen den USA und den allermeisten übrigen Ländern.
Mit seinem Vorgehen, das nicht zuletzt eine Propaganda-Operation ist, beschädigt die US-Regierung gleich dreierlei: Erstens und einmal mehr das Verhältnis zu den Verbündeten im Westen. Zweitens den ohnehin angeschlagenen UNO-Sicherheitsrat. Und drittens ihre eigene Rolle, also den amerikanischen Einfluss und die amerikanische Reputation in diesem Schlüsselgremium der Vereinten Nationen.