Das Verschwinden des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in der Türkei vor mehr als einer Woche gibt weiterhin Rätsel auf. Türkische Medien berichten von Beweisen, wonach Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ermordet worden ist. Saudi-Arabien behauptet, mit dem Verschwinden des Journalisten nichts zu tun zu haben. Nun aber wächst der Druck auf das saudische Königshaus vor allem auch aus den USA, dem wirtschaftlich und strategisch sehr engen Partner.
SRF News: Stephan Bierling, sehen Sie die bis vor wenigen Tagen noch exzellenten Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und den USA durch die Affäre um Jamal Khashoggi in Gefahr?
Stephan Bierling: Die Beziehungen sind zumindest angeschlagen. Das hat man nicht erwartet, dass Saudi-Arabien als so enger und umworbener Verbündeter der USA zu solchen Taten bereit ist. Das wird auf der moralischen Ebene den Kredit, den Saudi-Arabien in den USA hat, schwer anschlagen.
Jetzt setzen auch Republikaner im US-Senat massiven Druck auf und drohen mit Sanktionen, einer Blockade von Waffenlieferungen oder der Militärhilfe. Ist das jetzt einfach Säbelrasseln oder halten sie Sanktionen für denkbar?
Es ist zunächst mal Säbelrasseln. Sanktionen könnten ja immer durch ein Veto des Präsidenten verhindert werden. Und US-Präsident Donald Trump hat in seiner Amtszeit immer wieder klar gemacht, dass ihm an Saudi-Arabien sehr viel liegt. Es war das erste Land, dass er während seiner ersten Auslandreise überhaupt besucht hat, noch vor Israel. Trump wurde dort hofiert und wurde empfangen fast wie ein König, das hat ihm alles sehr gefallen und er setzt nach wie vor auf Saudi-Arabien als wichtigsten Verbündeten in der Region.
Nun hat Präsident Trump heute von schweren Sanktionen gegen Saudi-Arabien gesprochen, sollte der Journalist Khashoggi von den Saudis getötet worden sein. Gleichzeitig sagte er aber, die Waffenlieferungen würden nicht gestoppt wegen den Jobs, die in den USA auf dem Spiel stehen.
Dann ist natürlich die Frage, was diese schweren Sanktionen überhaupt bewirkten sollen, denn für Trump ist Saudi-Arabien zunächst mal der grösste und wichtigste Abnehmer amerikanischer Waffen in der Region. Solange er an dieser Schraube nicht drehen wird, wird es sehr schwierig sein, irgendeine Art von Druck oder Handhabe gegenüber dem starken Mann Saudi-Arabiens, Mohammed bin Salman al-Saud einzusetzen und durchzubringen.
Trump sagte bereits 2015, er habe in Saudi-Arabien einen kleinen Interessenkonflikt mit Blick auf die zahlreichen Projekte seiner Trump-Organisation in verschiedenen Golf-Staaten. Hat er diesen Interessenkonflikt immer noch, oder zögert Trump deshalb, Saudi-Arabien zu sanktionieren?
Bei Trump ist das schwer zu sagen. Da spielen natürlich seine Interessen vor allem im Immobilienbereich, etwa in anderen Staaten bei der Eröffnung von Casinos und Hotels eine grosse Rolle. Und er hat während des Wahlkampfs und als Präsident nie sehr deutlich eine Linie gezogen zwischen Privatinteresse und öffentlichem Interesse der Vereinigten Staaten. Insofern ist es sehr schwer von aussen zu sagen, wo den wirklich Trump sich letzten Endes positioniert. Das allein ist schon hoch problematisch, wenn es auf diese Frage keine wirkliche Antwort gibt.
Auf einmal verhält sich Saudi-Arabien wie ein übelster Schurkenstaat, der geneigt ist, im Ausland missliebige Dissidenten umzubringen.
Noch ist im Fall Khashoggi nicht bewiesen, wo der Journalist verschwunden ist. Hat man das in Riad falsch eingeschätzt und gedacht, die USA würden darüber hinwegsehen?
Zunächst glaubte man wohl, die Affäre unter der Decke halten zu können, obwohl dieses Verhalten von Saudi-Arabien nichts Neues ist. Es sind schon öfter Regimekritiker entführt und nach Saudi-Arabien zurückgebracht worden und sind dort verschwunden.
Dass das jetzt gerade in einem Konsulat in der Türkei passiert, einem Land, mit dem man nicht gerade befreundet ist, und es offenbar sogar noch Audio- und Video-Aufnahmen gibt, das hebt die ganze Geschichte in eine ungeahnte Dimension. Auf einmal verhält sich Saudi-Arabien wie ein übelster Schurkenstaat, der im Ausland missliebige Dissidenten umzubringen geneigt ist.
Aber das liegt doch kaum im Interesse von Mohammed bin Salman al-Saud für seien Vision 2030, für die Zeit, wenn das saudische Erdöl zur Neige geht und er doch immense Hoffnungen auch auf US-Investoren setzt.
Natürlich geht es bin Salman vor allem auch um das Umsteuern dieser völlig erdölabhängigen Wirtschaft Saudi-Arabiens. Das ist sein grosses Ziel, dafür braucht er westliche, gerade amerikanische Investoren. Aber er hat immer wieder gezeigt, dass er seine eigenen Taten nicht wirklich kontrollieren kann. Denken wir an den Krieg im Jemen, den er vom Zaun gebrochen hat, den er bis heute nicht wirklich in den Griff bekommen hat. Denken wir an das saudische Engagement im Syrien-Krieg, das auch überaus widersprüchlich war.
Das heisst, hier ist ein sehr junger Mann an die Macht gekommen, der im Grunde fast pubertär und mit Allmachts-Fantasien Saudi-Arabien zum grossen hegemonialen Spieler, zur Supermacht am Golf umbauen will, aber immer wieder auch über die eigenen Widersprüche seiner Politik stolpern muss.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.