Warten auf den Lockdown in Schanghai: Ich wohne im Westen der Stadt. Heute Morgen um drei Uhr in der Früh hat mein Wohnkomplex das Eisentor zur Strasse geschlossen. Vier Tage langen dürfen wir unsere Wohnungen nicht verlassen – nicht einmal, um den Müll nach draussen zu bringen.
Der Huangpu-Fluss teilt Schanghai in zwei Hälften. Von Montag, 28. März, bis heute Freitag galt für die Stadtteile östlich und südlich des Flusses eine strikte Ausgangssperre. Heute wechselte der Lockdown auf die westliche Stadtseite.
Seit Anfang März steigen in der 26-Millionen-Metropole die Corona-Fallzahlen. Treiberin ist die hochansteckende Omikron-Variante. Zu Beginn versuchten die Stadtbehörden mit kurzen, örtlich und zeitlich begrenzten Massnahmen einen stadtweiten Lockdown zu verhindern.
Vergeblich. Schanghai meldete Rekordzahlen. Am Ende war der Druck aus Peking, aber auch jener aus der Bevölkerung zu gross. Zwar sind die Fallzahlen im internationalen Vergleich niedrig, doch verfolgt die Zentralregierung eine strikte Null-Covid-Strategie.
Hamsterkäufe und Testpflicht
Die Nulltoleranzpolitik verlangt für jeden einzelnen Fall rasche und strenge Massnahmen. Schanghai als Wirtschaftszentrum fuhr immer einen Sonderzug. Seit Pandemiebeginn vor über zwei Jahren hat die Stadt nie einen Lockdown verordnet oder alle Bewohnerinnen und Bewohner durchgetestet – bis jetzt.
Die Lockdownankündigung am Sonntagabend hat viele überrascht. Die Bevölkerung im Osten der Stadt hatte nur paar Stunden Zeit sich vorzubereiten und stürmte die noch offenen Lebensmittelläden. Auch im Westen kam es zu Hamsterkäufen.
Obwohl der grosse Supermarkt bei mir um die Ecke am Morgen jeweils die Regale füllte, waren sie innert Kürze wieder leer. Wegen des Ansturms kürzte der Markt die Betriebszeiten und stoppte den Onlineverkauf.
Auch die zahlreichen kleinen Gemüse- und Früchteläden im Quartier wurden überrannt. Am Mittwochabend war sämtliches Gemüse ausverkauft – von Zwiebeln über Tomaten bis zu Kohl. Einzig Knoblauch und lagerbare Früchte wie Äpfel und Orangen waren noch erhältlich.
Nach dem Osten steht nun auch das Leben im Westen still. Tunnels und Brücken zwischen den Stadthälften sind gesperrt. Metro, Busse und Taxidienste haben den Betrieb eingestellt.
Während der Ausgangssperre muss jede und jeder zwei PCR-Tests und drei Selbsttests machen. Das Quartierkomitee geht von Tür zu Tür und verteilt die Selbsttestkits. Für die PCR-Tests wird im Innenhof ein provisorisches Freilufttestzentrum aufgebaut.
Seit Beginn der Welle Anfang März meldete Schanghai rund 30’000 Infektionen. Der Grossteil sind zwar asymptomatische Fälle. Trotzdem müssen alle, die positiv getestet werden, in Isolation. Bislang hat die Stadt zwölf Quarantänezentren in Betrieb genommen. Das sind riesige Bettenlager zum Beispiel in Stadien oder Ausstellungshallen. Wie viele Personen bereits in Isolation sind, sagen die Behörden nicht. Es dürften mittlerweile Tausende sein.
Der Lockdown im Osten der Stadt ist heute wie angekündigt aufgehoben worden. Das stimmt uns Bewohnerinnen und Bewohner im Westen zuversichtlich.
Mit einer Ausnahme: Wird im eigenen Wohnkomplex ein positiver Fall entdeckt, verlängert sich die Ausgangssperre für die Siedlung automatisch um weitere zehn Tage.