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Wolfgang Schäuble - Der gewiefte politische Taktierer
Aus Echo der Zeit vom 28.09.2017. Bild: Keystone
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Scharfzüngig und gewieft Der Nicht-Kanzler

Wolfgang Schäuble ist neuer deutscher Bundestagspräsident. Er hat die jüngere deutsche Geschichte geprägt. Ein Porträt.

Er ist für scharfzüngige, selbstironische Aussagen bekannt. Etwa, als Wolfgang Schäuble sich mit dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis verglich: «Klar, ich bin ja für die Medien nicht so attraktiv. Ich bin ein alter, etwas müder und manchmal mürrisch aussehender Mensch. Mit einem solchen Popstar kann ich da nicht konkurrieren.»

Um seine Bedeutung für die jüngere Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und vor allem für die CDU zu erklären, sollte man aber zuerst Schäubles Ämter aufzählen. Er sitzt seit 1972 im Bundestag und hatte in dieser Zeit fast alle wichtigen Ämter inne:

  • Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • Kanzleramtsminister (Chef des Bundeskanzleramtes)
  • Verhandelte den Vertrag zur deutschen Einheit
  • Innenminister
  • CDU/CSU-Fraktionschef
  • CDU-Parteichef
  • Finanzminister

Aber vielleicht sollte man hier stoppen und sagen, was er nicht war und nie wird:

  • Bundeskanzler

Seine Frau Ingeborg Schäuble brachte es in einer Dokumentation der ARD auf den Punkt: «Er findet, einem Kanzler gegenüber muss jeder loyal sein. Das ist seine Grundhaltung und sein Verständnis von Staat und Dienst.»

Ins offene Messer gelaufen

Schäuble war immer loyal. Er war loyal zu Helmut Kohl, aber dieser nicht zu ihm. In der sogenannten Spendenaffäre um schwarze Kassen des ehemaligen Kanzlers um die Jahrtausendwende liess Kohl den damaligen CDU-Parteichef ins offene Messer laufen.

Auch Angela Merkel war nicht loyal und nahm im entscheidenden Moment keine Rücksicht und stürzte Kohl im Jahr 2000, ohne den damaligen Parteichef Schäuble zu informieren. Dabei bootete sie nicht nur Kohl, sondern auch Schäuble aus. 2005 verhinderte sie ihn als Bundespräsidenten, denn sie wollte keine starke Persönlichkeit in diesem Amt.

Vordenker sind nie die Chefs

Schäuble ist ein Vordenker. Einer, der auch das Undenkbare denkt, einer der provoziert. Im Falle der Schuldenkrise um Griechenland sagte er beispielsweise über den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis: «Er hat offensichtlich die Vorstellung, dass Europa keine andere Wahl hat als Griechenland so zu finanzieren, dass sie ihre merkwürdigen Vorstellungen verwirklichen können.»

Schäuble ist auch der Vater des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei. Es war seine Idee, und er schob Angela Merkel sanft auf dieses Geleise. Aber Vordenker sind wie Pfadfinder, sie sind nie die Chefs.

Schäuble ist zwar ein hervorragender politischer Taktierer, auch rücksichtslos und provozierend. Aber er hat nicht das Zeug zum Königsmörder. Er lässt sich für die Sache verpflichten, auch wenn es manchmal geradezu masochistisch wirkt.

Schäuble steckt Verletzungen weg

Auch jetzt lässt sich Schäuble für die Sache einspannen. Er gibt das wichtige Amt des Finanzministers auf, um Merkel Verhandlungsspielraum für die schwierigen Koalitionsverhandlungen zu geben. Sie kann diesen Posten als Lockmittel einsetzen. Schäuble indes lässt sich zum Bundestagspräsidenten wählen.

Sicher ist, dass ich für eine absehbare Zeit im Rollstuhl werde leben müssen. Sicher ist allerdings auch, dass ich im Rollstuhl leben kann.
Autor: Wolfgang Schäuble Nach dem Attentat

Schäuble mache immer weiter. Verletzungen stecke er weg. Es sind die Drogen Politik und Pflichtbewusstsein, die ihn vorantreiben. Obwohl er 1990 im Wahlkampf von einem psychotischen Einzeltäter fast erschossen wurde und seither gelähmt ist.

Wolfgang Schäuble im Rollstuhl an einer Feier.
Legende: Seit dem Attentat sitzt Schäuble im Rollstuhl. Keystone

Das Attentat

Selbst beschreibt er das Attentat so: «Kurz vor der Tür beim Verlassen des Saals gab es einen Knall. Ich dachte noch, da muss einer geschossen haben, denn ich konnte das Pulver riechen.»

Schäubles Beine hätten gezuckt und dieser habe gesagt: «Ich spüre meine Beine nicht mehr», erinnert sich ein Journalist vom «Stern», der bei der Schussabgabe gleich neben Schäuble stand.

Doch wenige Wochen nach dem Attentat gab Schäuble seine erste Medienkonferenz. «Sicher ist, dass ich für eine absehbare Zeit im Rollstuhl werde leben müssen. Sicher ist allerdings auch, dass ich im Rollstuhl leben kann», sagte er damals.

18 Tage nach dem Attentat begann er die Arbeit an einem Buch über die deutsche Einheit. Sechs Wochen nach dem Attentat nahm Schäuble die politische Arbeit wieder auf. Bis heute.

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