«Ich hörte die Kugeln wenige Zentimeter an meinem Kopf vorbeizischen», erinnert sich James Riffe. «Der Soldat drei Meter vor mir, ein Späher, wurde getroffen und war sofort tot». Der 99-jährige Veteran ist für sein Alter bei erstaunlicher Gesundheit, erzählt lebendig und emotional.
Riffe war 23 Jahre jung, als er im April 1945 als Leutnant in die Schlacht von Okinawa beordert wurde. Die von Japan besetzte Insel sollte den US-Streitkräften als Sprungbrett für eine Invasion der japanischen Hauptinseln dienen. Das Ende des Kriegs schien nah, doch die Japaner wehrten sich mit aller Macht gegen die drohende Niederlage.
Okinawa: Grosse Verluste auf beiden Seiten
So entstand eine der blutigsten Schlachten im Pazifik. Auf amerikanischer Seite kamen je nach Quelle mehr als 12'000 Soldaten ums Leben, die Japaner verloren sogar rund 66'000. «Ich war wenige Zentimeter vom Tod entfernt. Bis heute denke ich oft: Warum wurde ich nicht getroffen?», sagt Riffe.
Okinawa 1945: Eine der blutigsten Schlachten im Pazifik
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Bild 1 von 7. Die Schlacht um Okinawa begann am 1. April 1945 mit der amerikanischen Invasion der japanischen Insel Okinawa und endete am 30. Juni 1945. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 7. Okinawa war die letzte Verteidigungslinie, die einer Invasion der japanischen Hauptinseln durch die Alliierten im Weg stand. Die Alliierten wollten Okinawa daher beim Einmarsch auf die Hauptinseln zur Luftunterstützung nutzen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 7. Für die Invasion zogen die USA eine gewaltige Streitmacht zusammen. Die Flotte bestand aus 19 Trägern, 20 Schlachtschiffen, 13 schweren Kreuzern sowie rund 1500 Transport- und Versorgungsschiffen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 7. Die Japaner leisteten erbitterten Widerstand. Mit koordinierten Selbstmordattacken versuchte die japanische Marineluftwaffe, der amerikanischen Pazifikflotte einen Schlag zu versetzen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 7. Die Kämpfe endeten am 30. Juni 1945 mit der Eroberung der Insel Okinawa durch die amerikanischen Truppen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 7. Beide Seiten hatten hohe Verluste zu beklagen: 66'000 Japaner verloren ihr Leben, mehr als zwei Drittel der japanischen Verteidiger. Auf amerikanischer Seite starben über 12'000 Soldaten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 7. 10'000 japanische Armeeangehörige und 8000 Angehörige der Marine und der Boeitai, der okinawischen Nationalgarde, überlebten die Schlacht. Bildquelle: Keystone.
Derweil liefen im US-Bundesstaat New Mexico fieberhafte Vorbereitungen für einen vernichtenden Schlag gegen Japan. Unter der Führung des Physikers Robert Oppenheimer entwickelten Wissenschaftler in Los Alamos die erste Atombombe. Die USA hofften, Japan damit in die Knie zwingen zu können.
Das «Manhattan Project», wie das US-Atombombenprogramm genannt wurde, war streng geheim. «In der Gegend wurden falsche Gerüchte im Umlauf gesetzt», sagt Georgia Strickfaden, Expertin für das «Manhattan Project.» «Es hiess, es würden hier Scheibenwischer für U-Boote produziert. Oder es sei ein Heim für schwangere Frauen in der Armee.»
Die hohen Verluste auf den Pazifikinseln steigerten bei den USA die Ungeduld. Auch nach der Kapitulation von Nazideutschland im Mai 1945 gab Japan nicht auf. Im Gegenteil: Tausende Piloten opferten ihr Leben in selbstmörderischen Kamikaze-Angriffen gegen amerikanische Kriegsschiffe.
Hunderttausende Opfer in Hiroshima und Nagasaki
Entsprechend gross war der Druck auf die Wissenschaftler in New Mexico. Am 16. Juli führten sie den ersten Atombombentest durch, den sogenannten Trinity-Test.
Nur wenige Wochen später, am 6. August, flog der Bomber Enola Gay seinen vernichtenden Einsatz gegen Hiroshima. Drei Tage später folgte die zweite Bombe gegen Nagasaki.
Vom Test zur Katastrophe: Das geschah im «Manhattan Project»
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Bild 1 von 9. Die Amerikaner führten am 16. Juli 1945 den ersten Atombombentest durch. Die Druckwelle der Explosion war 160 Kilometer weit zu spüren und die Pilzwolke erreichte 12 Kilometer Höhe. Die Atombombe hinterliess einen drei Meter tiefen und 330 Meter breiten Krater. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 9. In einem riesigen Stahlgefäss mit dem Spitznamen Jumbo war die Bombe untergebracht worden. Beim Test waren 260 Personen anwesend, die neun Kilometer vom Explosionsort entfernt waren. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 9. Wissenschaftler platzierten die erste Atombombe der Welt auf einem rund 30 Meter hohen Turm. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 9. Trotz 36 Zentimeter dicken Stahlwänden schmolz der Sand in der Explosionsumgebung wegen der grossen Hitze zu grünlichem Glas, sogenanntem Trinitit. Bildquelle: imago images.
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Bild 5 von 9. Wenige Wochen später griff die US Air Force die japanische Stadt Hiroshima mit einer Atombombe an. Bildquelle: mauritius images .
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Bild 6 von 9. Diese Mannschaft bombardierte am 6. August 1945 Hiroshima mit der Atombombe namens «Little Boy». Bildquelle: mauritius images.
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Bild 7 von 9. Ein Bild des Grauens: Von der japanischen Stadt Hiroshima ist nach der Detonation der Bombe kaum mehr etwas übrig geblieben. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 9. Das ehemalige Regierungsgebäude wurde ebenfalls zerstört. Die Ruine steht als eines der wenigen Gebäude jedoch noch heute. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 9. Weltweit wurden Hiroshima und Nagasaki zu Symbolen für die Schrecken eines möglichen Atomkrieges. Diese Aufnahme entstand einen Monat nach der Detonation, im September 1945. Bildquelle: Keystone.
Je nach Schätzung verloren zwischen 150'000 und 250'000 Menschen das Leben, viele andere erlitten schwere Krankheiten. Nun kapitulierte das schwer getroffene Japan.
Allerdings: Ob die Atombomben die Kapitulation wesentlich beschleunigten, ist unter Historikern umstritten. Japan hatte ab August mit der Sowjetunion einen zusätzlichen Feind. Gegen die Sowjets und die USA konnte das Land nicht bestehen.
Der Krieg hat mich gelehrt, den Wert des Lebens zu schätzen.
Nach amerikanischer Lesart war der Einsatz der Atomwaffen gerechtfertigt. Das sieht auch Veteran James Riffe so: «Präsident Truman wusste, wie viele Opfer wir in Okinawa erlitten hatten. Wenn wir schon 375 Meilen vor den japanischen Hauptinseln so viele Verluste haben – wie viele hätten wir dann erst bei einer Invasion ganz Japans zu beklagen?»
Hiroshima – ein Mahnmal bleibt auch 75 Jahre danach stehen
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Bild 1 von 4. Hiroshima heute. Das ehemalige Regierungsgebäude wurde beim Atombombenabwurf am 6. August 1945 zerstört. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 4. Doch es wird aus gutem Grund nicht abgerissen. Es ist noch heute ein Mahnmal an die Ereignisse vor 75 Jahren. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 4. Zwischen 150'000 und 250'000 Menschen verloren bei den Atombombenangriffen auf Hiroshima und Nagasaki 1945 ihr Leben. Wenn am 6. August jeweils Tausende Menschen den Opfern gedenken, ist auch das ehemalige Regierungsgebäude von Hiroshima beleuchtet. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 4. Auch im vergangenen Jahr begingen beim Friedenspark Hiroshima viele Menschen den 74. Jahrestag. Bildquelle: Keystone.
75 Jahre ist das alles her. Der Krieg habe ihn verändert, sagt Riffe. «Er hat mich gelehrt, den Wert des Lebens zu schätzen. Wir sollten alle versuchen, ein gutes Leben zu führen, und jenen die uns nahestehen, auch ein gutes Leben ermöglichen. Einfach ein guter Mensch, ein guter Bürger sein.»