- Die offizielle Schweiz zeigt sich besorgt über die Auflösung der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial durch das oberste Gericht des Landes.
- Das Aussendepartement in Bern fordert Russland auf, die zunehmenden Einschränkungen der Zivilgesellschaft rückgängig zu machen.
- Auch aus Grossbritannien, den USA und der EU gab es massive Kritik am russischen Gerichtsurteil.
Die Entscheidung des russischen obersten Gerichtshofes, Memorial International aufzulösen, gebe Anlass zur Sorge, teilte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Mittwoch über Twitter mit. Die Organisation habe seit 1989 wertvolle unabhängige historische und pädagogische Arbeit über den Gulag und die sowjetische politische Unterdrückung geleistet, die Auflösung stelle eine Verletzung der Grundfreiheiten dar, zu denen sich Russland verpflichtet habe, so das EDA weiter.
Russlands oberstes Gericht hatte die Schliessung von Memorial International am Dienstag verfügt. Es gab einem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft statt. Deren Vertreter sagte vor Gericht, dass Memorial mit seiner Arbeit die vor 30 Jahren aufgelöste Sowjetunion als «Terrorstaat» darstelle und Lügen über das Land verbreite.
Die russische Justiz warf Memorial zudem wiederholte Verstösse gegen das Gesetz über ausländische Agenten vor. Die Organisation war mehrfach zu Geldstrafen verurteilt worden, weil sie sich selbst nicht als ausländischen Agenten bezeichnet. Das Gesetz sieht vor, dass Empfänger von Zahlungen aus dem Ausland als «Agenten» bezeichnet werden können.
Memorial weist die Vorwürfe zurück und spricht von einer «politischen Entscheidung» ohne Rechtsgrundlage. Ziel sei die «Zerstörung einer Organisation, die sich mit der Geschichte politischer Repressionen und mit dem Schutz der Menschenrechte befasst». Menschenrechtler beklagen zunehmende autoritäre Tendenzen und die Verfolgung Andersdenkender in Russland.
Auch Vertreter Grossbritanniens, der USA und der EU äusserten sich zum russischen Gerichtsentscheid. Die britische Chefdiplomatin Liz Truss zeigte sich auf Twitter «tief besorgt» über die Auflösung von Memorial durch die russische Justiz. Sie sehe darin einen weiteren «erschreckenden Schlag» gegen die Meinungsfreiheit in Russland.
Aus dem deutschen Auswärtigen Amt in Berlin hiess es in einer Mitteilung, die Entscheidung «widerspricht internationalen Verpflichtungen zum Schutz grundlegender Bürgerrechte, die auch Russland eingegangen ist».
US-Aussenminister Antony Blinken hat die Auflösung von Memorial ebenfalls scharf verurteilt. Über Twitter forderte Blinken die russischen Behörden dazu auf, Repressionen gegen Menschenrechtsaktivisten zu beenden.
«Die Schliessung von Memorial folgt auf ein Jahr, in dem der Raum für die unabhängige Zivilgesellschaft, die Medien und pro-demokratische Aktivisten in Russland rapide geschrumpft ist», wurde Blinken in einer Mitteilung weiter zitiert. Die USA stünden solidarisch an der Seite all jener, die unterdrückt würden, weil sie vom Recht auf freie Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit Gebrauch machen.