Donald Trump liebt Rekorde. Auf diesen hätte er aber wohl gerne verzichtet: Trump geht in die Geschichtsbücher ein als erster Präsident, der sich einem zweiten Amtsenthebungsverfahren stellen muss. Bisher wurde letztlich aber nie ein Präsident des Amtes enthoben – auch das wäre eine Premiere.
Die Demokraten werfen Trump «Anstiftung zum Umsturz» vor, nachdem er seine Anhänger letzte Woche aufgefordert hatte, zum Kapitol zu marschieren. Im Repräsentantenhaus stimmten allerdings nur zehn von 211 republikanischen Abgeordneten für die Absetzung des Präsidenten.
Aber: Noch nie in der Geschichte waren so viele Abgeordnete dafür, den eigenen Präsidenten des Amtes zu entheben. «Es tut sich etwas in der republikanischen Partei. Auch wenn die Mehrheit hinter Trump steht und den Schaden, den er angerichtet hat, nicht sieht», erklärt USA-Expertin Sarah Wagner.
Keine Absetzungsbewegung
Im Senat müssten zwei Drittel der Abgeordneten für eine Amtsenthebung Trumps votieren – es bräuchte also 17 von 50 Republikanern. Wagner hält eine solche Absetzungsbewegung in der «Grand Old Party» derzeit für unwahrscheinlich. «Unter Donald Trump und in dieser politischen Lage schliesse ich aber gar nichts mehr aus.»
74 Millionen US-Bürger hatten Trump bei den Wahlen im November gewählt. Viele von ihnen unterstützen ihn laut Umfragen weiterhin. In der republikanischen Basis sprechen sich nur knapp 15 Prozent für das Impeachment-Verfahren aus.
Die Angst um die eigene politische Zukunft dürfte viele Abgeordnete davon abhalten, den grösstmöglichen Bruch mit Trump zu vollziehen. Doch das Karriere-Kalkül konnte auch andere Folgen zeitigen. «Ambitionierte Republikaner könnten ein Interesse daran haben, Trump von der nächsten Wahl auszuschliessen», glaubt Wagner.
Solange ein grosser Teil der Partei an diesem Verschwörungsnarrativ festhält und Joe Biden nicht für einen legitimen Präsidenten hält, kann es keine Einheit geben.
Ein gewichtiges Argument für Trumps Absetzung: Der bewaffnete Angriff auf das Kapitol soll nicht ungestraft bleiben – eine Amtsenthebung des «Brandstifters» hätte auch präventive Wirkung, so die Argumentation vieler Befürworter. Führende Republikaner warnen aber davor, weiter Öl ins Feuer zu giessen.
Kevin McCarthy, der Minderheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, gibt dem Präsidenten zwar eine Mitschuld am Sturm auf das Kapitol. Das Land dürfe aber nicht weiter entzweit werden.
Die USA-Expertin hält das für ein durchsichtiges Manöver von Trumps (ehemaligen) Unterstützern: «Das ist der politisch beliebte Ruf nach Einigkeit und Frieden. So geht man unbequemen Debatten aus dem Weg und muss keine Verantwortung übernehmen.» Der Angriff auf die Demokratie müsse aufgearbeitet werden. Nur so könne das Land wieder zur Ruhe kommen. «Sonst droht eine Wiederholung der Vorkommnisse.»
Ein «historisches Zeichen» setzen
Ohnehin sei der Ruf nach Einigkeit unglaubwürdig. Noch unmittelbar nach dem Sturm auf das Kapitol hätte eine Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus gegen das offizielle Wahlergebnis gestimmt – unter ihnen auch McCarthy. «Solange ein grosser Teil der Partei an diesem Verschwörungsnarrativ festhält und Joe Biden nicht für einen legitimen Präsidenten hält, kann es keine Einheit geben.»
Letztlich müssten die Parlamentarier ihre Rolle im politischen System der USA wahrnehmen, nämlich die Kontrolle der Exekutive. Und damit, schliesst Wagner, nach der Erstürmung des Kapitols ein «historisches Zeichen» setzen: Die «Checks and Balances», also die Gewaltenteilung in den USA, sind intakt.