Die Freude war Staatsoberhaupt Alexander Lukaschenko sichtlich ins Gesicht geschrieben, als er Bundesrat Ignazio Cassis als erstes Schweizer Regierungsmitglied am Donnerstag zu einem Arbeitsbesuch begrüsste. Cassis erklärte es sei «eine Ehre für unser Land», dass man sich direkt mit Weissrussland austauschen dürfe. Das wäre noch bis vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen.
Autokrat Lukaschenko führte lange Zeit ein politisch von Europa isoliertes Leben, wegen seinem undemokratischen Gebaren gegenüber der Opposition und Menschenrechten. Und war auch von der Schweiz sanktioniert. Diese Zeiten sind am Donnerstag längst vergessen, wenn Lukaschenko sichtlich geschmeichelt erwähnt, dass sein Land regelmässig als «die Schweiz von Osteuropa» bezeichnet werde.
Eine Frage von Generationen
Der 65-Jährige freut sich über den Vergleich, nicht in Gedanken an die eigene Bevölkerung. Erhofft er sich von einer Neutralitätspolitik gegenüber dem Ausland in erster Linie seine eigene Macht zu erhalten. Um den zarten politischen Frühling nicht zu stören, gab man sich von Schweizer Seite sichtlich Mühe ebenso Vergleiche zu ziehen zwischen den Ländern.
Von allen Parallelen, die es zwischen zwei Kleinstaaten geben mag, sitzt die Schweiz bei den Gesprächen einem Staatschef gegenüber, der mitverantwortlich dafür ist, dass Weissrussland noch Generationen von einem neutralen Staat entfernt ist. Die Rolle, die Weissrussland als Brückenbauer im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine einnimmt, ist fast einmalig in der Geschichte des Landes und es bleibt klar, an wessen Brückenende Weissrussland in letzter Konsequenz steht.
Pragmatismus auf Zeit
In letzter Konsequenz wird sich Weissrussland nicht aus der Einflusssphäre von Russland lösen können, solange das Staatsoberhaupt vom gleichen sowjetischen Machtverständnis geprägt ist, wie Wladimir Putin. Lukaschenko unterdrückt nach wie vor die politische Opposition im Land.
Die Schweiz scheint pragmatisch hinzunehmen, dass kein einziger Oppositioneller im weissrussischen Parlament sitzt und sich seit dem Jahrtausendwechsel keine einzige Partei der Opposition registrieren lassen konnte. Langfristig mag man in Bern darauf zählen, dass kein Autokrat der Welt ewig im Amt bleiben kann.
In der Zwischenzeit scheint die Schweiz die wirtschaftlichen Beziehungen verbessern zu wollen. Damit erweist die Schweiz dem Land langfristig die grösste Unterstützung. Je enger der wirtschaftliche Austausch mit dem Westen, umso weniger hängt Weissrussland am Geldhahn Russlands. Auf absehbare Zeiten bleibt «die Schweiz von Osteuropa» ein Luftschloss eines Autokraten.