Zum Teil mit blossen Händen versuchen die Menschen in Myanmar Verschüttete zu bergen. Die Zerstörung nach dem schweren Erdbeben ist immens, die Lage unübersichtlich. Wichtige Verkehrsadern sind beschädigt. Inzwischen sind die ersten internationalen Rettungsteams eingetroffen.
Daniel Derzic, Leiter der Botschaft in Yangon, ist am Samstag nach Myanmar zurückgekehrt. Er sagt, was die notleidenden Menschen am Dringendsten brauchen – und wie die Schweiz helfen kann.
SRF News: Haben Sie sich nach Ihrer Rückkehr bereits einen Überblick verschaffen können?
Daniel Derzic: Die Botschaft hat sofort das Krisenteam einberufen, dort haben wir auch eine sehr starke Vertretung der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza). Unser erstes Anliegen war es, eine Bedarfsanalyse zu machen, um danach Hilfe leisten zu können.
Was hat die Analyse ergeben?
Die Situation in den Krisengebieten ist prekär. Bislang wurden 1700 Todesopfer bestätigt, dazu kommen Tausende Verletzte. Wir gehen davon aus, dass diese Zahlen noch stark steigen werden. Die Infrastruktur ist zusammengebrochen, es gibt keine Stromzufuhr mehr und die Internet- und Telefonleitungen sind unterbrochen.
Zum Teil wurden auch Spitäler zerstört. Diejenigen, die noch funktionieren, sind überfüllt und überlastet. Unter den Trümmern der Häuser liegen sehr viele Verschüttete. Die Situation ist äusserst besorgniserregend.
Schweizerische Botschaft in Myanmar
Die Schweiz hat Myanmar ihre Hilfe angeboten. Welche Art der Unterstützung kann unser Land leisten?
Die Schweiz hat der myanmarischen Botschaft in Genf ein Hilfsangebot unterbreitet. Dabei handelt es sich um ein Standardpaket für Naturkatastrophen. Dieses beinhaltet Dienstleistungen im Bereich der Wasserversorgung, der medizinischen Betreuung und von Notunterkünften. Dafür könnten Experten und Hilfsgüter ins Land geschickt werden. Die diesbezüglichen Abklärungen laufen.
Die Schweiz ist der Auffassung, dass das Humanitäre apolitisch ist. Wir wollen Zugang zu den Bedürftigsten haben.
In Myanmar herrscht seit vier Jahren Bürgerkrieg. Inwiefern erschwert das die Rettungsarbeiten?
Die Militärregierung hat in sechs Regionen des Landes den Notstand ausgerufen, darunter auch in den Millionenstädten Mandalay und Naypyidaw sowie in der Sagaing-Region. Diese Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Militärregierung, teilweise aber auch des Widerstandes.
Die Situation ist politisch sehr polarisiert. Leider wird auch der humanitäre Zugang zum Teil politisiert. Wenn ein Gebiet unter der Kontrolle verschiedener Akteure ist, gestaltet sich der Zugang wesentlich schwieriger.
Die Militärjunta gewährt den Zugang zu Gebieten also nicht immer, wenn diese von Rebellengruppen kontrolliert werden – oder auch umgekehrt?
Das ist Gegenstand von Diskussionen.
Mit welchen Akteuren im Land stehen Sie in Kontakt?
Die Schweiz ist der Auffassung, dass das Humanitäre apolitisch ist. Wir wollen Zugang zu den Bedürftigsten haben. Egal, unter wessen Kontrolle die Gebiete stehen, in denen sie leben. Das ist unser Credo und dafür treten wir bei der Militärregierung, aber auch beim Widerstand ein.
Wir haben derzeit keine Informationen, dass Schweizer zu Schaden gekommen sind.
Stehen Sie auch in Kontakt zu Schweizerinnen und Schweizern in Myanmar?
Wir stehen mit Schweizern in Kontakt. Wir haben eine Risikoanalyse vorgenommen und wissen, wo die Schweizer wohnen, die bei der hiesigen Botschaft registriert sind. Wir haben festgestellt, dass die meisten Schweizer nicht im Krisengebiet wohnen. Diejenigen, die dort wohnen, haben sich gemeldet. Wir haben derzeit keine Informationen, dass Schweizer zu Schaden gekommen sind.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.