Das Wichtigste in Kürze:
- Die Ukraine klagt vor dem Internationalen Strafgerichtshof gegen Russland.
- Streitpunkt ist die Rolle Russlands beim Konflikt in der Ostukraine.
- Das Gericht muss entscheiden, ob es zu einem Verfahren kommt.
Seit drei Jahren herrscht Krieg im Osten der Ukraine. Und Russland mischt illegalerweise mit, das scheint für Kiew klar. Darum ist das Land nun mit einer klaren Forderung vor das höchste UNO-Gericht gezogen.
Terrorakte, Waffenlieferungen und Diskriminierung
Die ukrainische Vize-Aussenministerin Olena Zerkal verlangte in Den Haag Sofortmassnahmen gegen Russland. Die Russische Föderation sei verantwortlich für «Terrorakte und Diskriminierung» in der Ostukraine und auf der Krim, sagte die Diplomatin. Das UNO-Gericht solle die «Aggression» Russlands mit einer einstweiligen Verfügung unterbinden. Moskau müsse jegliche Unterstützung der Rebellen unverzüglich einstellen und seine Grenzen strenger bewachen.
Kiew beschuldigt das Nachbarland, an die pro-russischen Separatisten Waffen zu liefern und sie finanziell zu unterstützen. Damit verstosse Moskau gegen die UNO-Konvention gegen die Finanzierung des Terrorismus, erklärten die Rechtsvertreter Kiews. Die Rebellen würden Städte beschiessen und bombardieren. Tausende Bürger seien in Lebensgefahr.
Russland wies eine Beteiligung am Krieg in der Ostukraine stets zurück. Zudem liefen ja diplomatische Verhandlungen im Rahmen der Minsker-Abkommen. Es brauche gar keine Gerichtsverhandlungen, heisst es aus Moskau.
Streit um abgeschossenes Passagierflugzeug
Im Mittelpunkt der Klage steht der Abschuss des malaysischen Flugzeuges MH17 im Juli 2014. Die Ukraine macht Russland für den Abschuss und den Tod der 298 Menschen an Bord verantwortlich.
Die Juristen Kiews zitierten ausführlich aus dem Bericht der internationalen Ermittler. Laut diesem war die Boeing mit einer russischen Buk-Abwehrrakete über der Ostukraine abgeschossen worden. Das Geschütz war demnach von Russland in Rebellengebiet in der Ostukraine und dann wieder zurück über die Grenze transportiert worden. Russland hatte dies als falsch zurückgewiesen.
Die Ukraine beschuldigt Russland auch der Diskriminierung von Tataren und Ukrainern auf der Krim. Die Menschenrechte dieser Minderheiten würden verletzt und ihre «Kultur ausgemerzt», sagte Koh.
Russland kommt am Dienstag zu Wort
Russland wird am Dienstag zur Klage Stellung nehmen. Moskau zweifelt die Zuständigkeit des Gerichts an. Doch die Ukraine äusserte sich zuversichtlich. Die Sprecherin des Aussenamtes, Mariana Beza, erklärte auf Twitter. «Russland entkommt der Verantwortung für die Terrorakte, Morde, Folter und andere Verbrechen nicht.»
Juristisch gesehen hat Russland kaum etwas zu befürchten.
Die Den Haager Richter werden zunächst über den Antrag auf Sofortmassnahmen entscheiden. Ein Termin steht noch nicht fest. Sollte es zu einem Verfahren kommen, dürfte das mehrere Jahre dauern, meint SRF-Korrespondent Christof Franzen.
Juristisch gesehen hat Russland also kaum etwas zu befürchten. Politisch allerdings schon. Franzen: «Dann nämlich, wenn das Gericht von beiden Seiten Sofortmassnahmen verlangt, um den Konflikt in der Ostukraine möglichst einzudämmen. Das wäre dann quasi eine Anerkennung auf höchster Ebene, dass Russland eben doch ein Teil dieses Konfliktes ist.»