Was ist passiert? Dem demokratischen US-Präsidenten Joe Biden gelang es nicht, im Senat alle Parteikollegen für sein geplantes billionenschweres Sozial- und Klimapaket an Bord zu holen. Es ist die eine Stimme von Joe Manchin, die Biden benötigt hätte, um sein zweites grosses Reformpaket zu verabschieden – doch Senator Manchin, ausgerechnet ein Demokrat, verweigert sie ihm. Am Sonntag liess dieser ausgerechnet auf dem demokratisch-kritischen TV-Sender Fox-News die Bombe platzen. Er habe seit jeher Vorbehalte und könne nicht für das Vorhaben stimmen, sagte Manchin.
Weshalb ist dieses Paket so wichtig? Biden hat sich die Bekämpfung des Klimawandels auf die Fahne geschrieben. Er hat sein ganzes politisches Gewicht in die Waagschale geworfen, um das Vorhaben durchzusetzen. Das Sozial- und Klimapaket sowie das bereits beschlossene Paket mit grossen Infrastrukturinvestitionen gehören zu den Kernanliegen seiner Präsidentschaft – sie sollten so etwas wie sein Vermächtnis sein. Für Biden und seine Partei bedeutet Manchins Entscheid ein Jahr vor den Kongresswahlen ein echtes Problem.
Lässt sich das Projekt noch retten? Da die Demokraten im US-Senat nur eine hauchdünne Mehrheit haben und die Republikaner das Paket ablehnen, ist der Präsident in der Kammer unbedingt auf die Stimme des Senators angewiesen. Auf Nachfrage während Manchins Fernsehauftritt, ob seine Entscheidung definitiv sei, antwortete der Senator: «Dies ist ein Nein zu dieser Gesetzgebung. Ich habe alles versucht, was ich kann.» Beim genauen Hinhören lässt diese Aussage zwar noch eine Hintertür offen – die Überarbeitung des Gesetzestextes. Fakt ist aber, dass nach seinem öffentlichen Auftritt das Tischtuch zwischen ihm und Biden sowie dem linken Flügel der Partei zerschnitten ist.
Warum ist die jüngste Entscheidung von Manchin für Bidens Politik so gravierend? Im Senat sind die Machtverhältnisse seit einem Jahr so knapp, dass Bidens 50 Demokraten geschlossen abstimmen müssen, um ein Vorhaben durchsetzen zu können. Seither macht Manchin seinen Parteifreunden immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Viele demokratische Kritiker sehen Manchin inzwischen als Querulanten, der Bidens Präsidentschaft torpediert. Seine Rolle als Zünglein an der Waage macht den Senator derzeit jedenfalls zu einem der mächtigsten Politiker in Washington.
Was bedeutet Manchins «NO» für Biden und Amerika im Hinblick auf die kommenden Kongresswahlen? Dass ein Kernprojekt des Präsidenten aus den eigenen Reihen derart torpediert wird, ist ungewöhnlich. Zudem kratzt es an Bidens Autorität, dass er trotz einer – wenn auch hauchdünnen – Mehrheit in beiden Kongresskammern nicht in der Lage scheint, sein Anliegen durchzusetzen. Aber auch die Demokraten stehen schlecht da, denn sie konnten oder wollten offensichtlich ihre Reihen nicht schliessen.
Vor den Kongresswahlen im November 2022 bräuchten Biden und seine Partei das Paket als Erfolg – zumal sie ihre Mehrheit in beiden Kammern verlieren könnten. Bei der Zwischenwahl im November dürfen zwar die oppositionellen Republikaner darauf hoffen, eine oder vielleicht sogar beide Parlamentskammer zu erobern – doch über die Rolle der Blockierer werden auch sie nicht hinauskommen. Die USA stecken also in einem politischen Patt fest.