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Türkische Behörden schliessen unliebsames «Açık Radyo»
Aus Rendez-vous vom 17.10.2024. Bild: Imago Images/Stefania Mizara
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Sendeschluss bei Açık Radyo Behörden ziehen Istanbuls «offenem Radio» den Stecker

Kritik unerwünscht: Die Behörden bringen die alternative Stimme im Äther der Wirtschaftsmetropole zum Schweigen.

Açik Radyo war bei weitem nicht das grösste Radio der Türkei, aber es war eine wichtige Nische für die politische Gegenkultur im Äther. Geboten wurde eine bunte Alternative zur frommen und nationalistischen Türkei, wie sie Präsident Erdogan anpreist.

Açik Radyo hatte ein treues Stammpublikum in Istanbul, schätzungsweise 100'000 Menschen schalteten regelmässig den Radio auf der Frequenz 95.0 ein. Hinzu kamen Interessierte, im Rest der Türkei, die via Internet zuhörten.

Offen im Geist und bei der Themenwahl

Offen war Açik Radyo in dem Sinne, dass die Programme von Freiwilligen initiiert und gestaltet wurden, nur ein kleines Kernteam war festangestellt. Offen war es aber auch in dem Sinne, dass die Gesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt vorkommen sollte. Gepflegt wurden die langen Debatten über Politik, Philosophie, Ökologie, Kunst. So vieles, was dem Präsidentenpalast suspekt ist, kam aufs Tapet. 

Pianist spielt für Demonstranten auf dem Gezi-Platz
Legende: Während der Gezi-Proteste 2013, die Erdogan blutig niederknüppeln liess, sendete Acik Radio live vom Protestcamp. Keystone/EPA/Sedat Suna

Seit Erdogan an der Macht ist, wurden in der Türkei öfters Zeitungen geschlossen, Sender abgestellt, Medienleute verhaftet. Unter dem Vorwurf, den Terrorismus zu verherrlichen, oder die Würde des türkischen Volkes zu besudeln. Kritiker Erdogans werden auch wegen Präsidentenbeleidigung vor Gericht gezogen. Seine kritische Haltung brachte auch den kleinen Kanal regelmässig in Konflikt mit den Behörden. Er wurde mit Bussen und mit kurzzeitigen Sendeverboten belegt.

Verhängnisvolle Aussagen über Armenien

Aber Açik Radyo überstand alle Säuberungswellen. Bis nun doch das Aus kam. Zum Verhängnis wurde dem Sender nicht ein Satz über Erdogan, sondern ein Satz über den Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs. Ein Studiogast hatte darauf hingewiesen, dass in der Türkei das Gedenken an die Massaker in der Endzeit des Osmanischen Reich noch immer verboten sei. Und dann schob er noch nach, dass die damaligen Massaker als Völkermord bezeichnet würden.

Eine Archivaufnahme von 2013 liefert Einblicke ins Studio von Açık Radyo
Legende: Eine Archivaufnahme von 2013 liefert Einblicke ins Studio von Açık Radyo. Damals war die Türkei noch eine andere. Imago Images/Stefania Mizara

Das war zu viel. Dass Türken und Kurden, aufgestachelt durch die Staatsmacht damals ihre armenischen Nachbarn zusammentrieben und auf Todesmärsche schickten. Dass dies systematisch geschah und die Kriterien eines Völkermords erfüllt, das ist ausserhalb der Türkei verbreitete Lehrmeinung.

Doch die offizielle Türkei bestreitet es. Und Präsident Erdogan, der sich gern auf die angeblich so tugendhafte Vergangenheit des Osmanischen Reichs bezieht, macht da keine Ausnahme. Die Aufsichtsbehörde verhängte zunächst eine Busse und ein fünftägiges Sendeverbot, auf der Basis einer Bestimmung, wonach Medien «nicht Hassgefühle schüren und so die Gesellschaft entlang ethnischer oder religiöser Unterscheidungen spalten dürfen».

Acik Radio gibt sich kämpferisch

Açik Radio reagierte nicht unmittelbar und rekurrierte gegen die Verfügung. Das wurde ihm als Verweigerungshaltung ausgelegt. Darauf folgte prompt die definitive Schliessung. Dass der offene Kanal geschlossen wurde, ausgerechnet mit dem Argument, dass er den Hass zwischen den Bevölkerungsgruppen geschürt habe, entbehrt nicht der Ironie. 

Die Radiomacher gaben sich an einer Medienkonferenz kämpferisch. Sie wollen eine Alternative finden und weitermachen. Wie, ist noch völlig unklar. 

Rendez-vous, 17.10.2024, 12:30 Uhr

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