Darum geht es: Die UNO will in den nächsten Jahren bis zu einer Milliarde Dollar investieren, damit die haitianische Regierung die seit Jahren andauernde Krise im Land endlich in den Griff bekommt. Derzeit kontrollieren bewaffnete Banden den Grossteil des öffentlichen Lebens, während mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter Hunger und Armut leidet. Seit dem Mord an Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 gleitet Haiti ins Chaos ab – Banden entführen Menschen, vergewaltigen Frauen, attackierten Kirchen oder Spitäler. Jeden Tag verlassen hunderte Menschen das Land und versuchen, irgendwie in die USA zu gelangen.
Das hat die UNO vor: Mit dem Geld soll eine humanitäre Intervention für mehr Sicherheit und Entwicklung im Land lanciert werden. Seit längerem hatten Interims-Regierungschef Ariel Henry und die UNO versucht, die internationale Gemeinschaft für eine militärische Intervention zu gewinnen. Doch es fand sich niemand, der eine solche Aktion schultern wollte. Immerhin engagiert sich jetzt die UNO humanitär.
Das könnte das Geld bewirken: «Wenn man mit dem Geld die haitianische Polizei unterstützt, damit sie die Kontrolle wieder erlangen kann und den Rest in Bildung investiert, kann das viel bringen», sagt Sandra Weiss. Sie berichtet als freie Journalistin aus Süd- und Mittelamerika und kennt die Verhältnisse in Haiti. Allerdings gebe es zwei grundsätzliche Probleme: Einerseits habe die UNO das Geld für den Plan noch gar nicht zusammen. Und andererseits würde das Ganze wenig bringen, solange sich die haitianische Elite nicht zusammenraufe und sich auf einen neuen Gesellschaftsvertrag einige, auf dem ein neuer Staat aufgebaut werden könnte, so Weiss.
Das könnte die UNO tun: Mit den richtigen Leuten an der Spitze des UNO-Programms für Haiti könnten die Vereinten Nationen nach Ansicht der Journalistin sehr wohl viel bewirken: «Sie müssten sich knallhart den Interessen der haitianischen Eliten entgegenstellen, damit diese das Geld nicht für ihre Zwecke abzweigen.» Das sei nach dem Erdbeben 2010 eben nicht passiert – und ein grosser Teil der Hilfsgelder für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete fiel der Korruption zum Opfer.
Die internationale Gemeinschaft kann bloss unterstützend mitwirken. Einigen müssen sich die Haitianer selber.
Darum gingen bisherige Interventionen schief: Der Aufbau eines funktionierenden Staates in Krisengebieten war in der Vergangenheit auch andernorts wenig erfolgreich, nicht zuletzt, weil geopolitische oder wirtschaftliche Interessen hineinspielten. Im Fall Haitis kommt hinzu, dass die dortige Elite nicht an einem starken Staat interessiert ist, wie Journalistin Weiss erklärt: «Es gibt dort unterschiedliche Clans mit jeweils eigenen Schlägertruppen, die versuchen, Teile des Staats unter Kontrolle zu bringen.» Die Idee eines Rechtsstaats sei dieser Elite fern.
So könnte sich die Situation in Haiti verbessern: Laut Weiss müsste zunächst ein nationaler Konsens definiert werden. «Dabei kann die internationale Gemeinschaft bloss unterstützend mitwirken. Einigen müssen sich die Haitianer selber.» Danach müsste die Sicherheit massiv verbessert werden – «dafür müsste die Politik von den kriminellen Interessen gesäubert werden.» Einige Fortschritte gebe es in diesem Bereich, indem mehrere mafiöse Anführer von den USA und Kanada auf eine Sanktionsliste gesetzt worden seien, so die Journalistin.