Die Angst war und ist gross: Was, wenn das Coronavirus Armut geplagte afrikanische Staaten mit voller Härte trifft? Länder, deren Gesundheitssystem ohnehin angeschlagen ist, und in denen Krankheiten wie HIV und Malaria grassieren?
Nun gibt es gute Nachrichten: Afrika könnte den Höhepunkt der Corona-Pandemie hinter sich haben – so die Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Ermutigende Zeichen
«Die täglich gemeldeten neuen Fallzahlen gehen zurück», sagte die WHO-Regionaldirektorin für Afrika diese Woche bei einer Videokonferenz afrikanischer Gesundheitsminister.
SRF-Afrika-Korrespondent Samuel Burri verfolgt die Entwicklung der Corona-Lage auf dem Kontinent seit Monaten. Für ihn ist weiter Wachsamkeit angezeigt: «In Afrika gibt es 54 Staaten und jeder hat seine eigene Kurve – in einigen Ländern geht sie noch immer steil nach oben, etwa in Äthiopien oder Namibia.» Vielerorts gebe es aber tatsächlich positive Signale.
Mehr als die Hälfte der Coronavirus-Infektionen auf dem Kontinent wurden in Südafrika verzeichnet. Weltweit steht es auf Platz fünf der am stärksten betroffenen Länder. Nun sind die Zahlen rückläufig – was massgeblichen Einfluss auf Afrikas ermutigende Corona-Bilanz hat.
Auffällig ist auch: Im Vergleich mit Europa ist die Todesrate in Afrika viel tiefer. «Es gibt Vermutungen, dass die Menschen in Afrika etwas besser mit dem Virus umgehen können», sagt Burri. Als Erklärung würden Forscher verschiedene Thesen heranziehen.
Die einfachste davon: Die afrikanische Bevölkerung ist im Schnitt viel jünger als die europäische – das Virus wirkt sich also weniger stark aus. Die zweite These dreht sich um die «Kreuzimmunität»: «Das heisst, dass andere Coronaviren auf dem Kontinent schon verbreitet sind und die Menschen dadurch abgehärtet sind.»
Abgehärtetes Immunsystem?
Schliesslich gibt es eine dritte These betreffend der Immunreaktion: Bei schweren Verläufen von Covid-19 sei es oft so, dass das Immunsystem überreagiere, fasst Burri zusammen. Auch dieses Phänomen sei in Afrika womöglich weniger ausgeprägt, so die Vermutung von Wissenschaftlern.
Weil viele Menschen in Afrika unter schlechteren hygienischen Bedingungen leben, kommen sie häufiger mit Krankheitserregern in Kontakt. Dies könnte zu einer besseren Abwehr des Coronavirus führen. Belegt sei aber noch keine der Theorien, gibt Burri zu bedenken.
Contact Tracing lahmt
Auch in Afrika wird versucht, Infektionsketten frühzeitig zu durchbrechen – auch mit Contact Tracing. Das funktioniere aber mehr schlecht als recht, berichtet Burri: «Eine Journalistin in Kenia hat mir erzählt, dass sie erst drei Wochen nach einem positiven Testergebnis von Contact Tracern angerufen wurde.»
Die Präventionsarbeit funktioniert indes. Auch, so Burri, weil viele Länder leidvolle Erfahrungen mit übertragbaren Krankheiten haben – zum Beispiel mit Ebola. So waren Temperaturmessungen an afrikanischen Flughafen schon im Februar Standard.
Burri selbst lebt in Kenias Hauptstadt Nairobi. Beim täglichen Einkauf werde streng auf Desinfektion geachtet, allerorten würden einem Fieberpistolen entgegengestreckt. «Ich bewege mich aber in einem Umfeld der Oberschicht. In den Slums sieht es anders aus.»
Doch auch dort würden viele Menschen das Virus ernst nehmen, das Maskenobligatorium befolgen und aufs Händeschütteln verzichten: «Das Sozialverhalten hat sich verändert.»