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Sipri-Bericht Wohin fliessen Europas Militärausgaben?

Die weltweiten Militärausgaben stiegen im vergangenen Jahr stärker als jemals seit Ende des Kalten Krieges. Das geht aus den jüngsten Zahlen des Stockholmer Friedens­forschungs­instituts Sipri hervor. Doch der Sipri-Direktor warnte, dass «höhere Rüstungsausgaben die Welt nicht sicherer machen». Wer viel Geld ausgebe und am meisten Soldaten und Waffen habe, sei nicht automatisch am schlagkräftigsten. Doch in welchen Bereichen investieren die europäischen Länder? Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent, schätzt die Zahlen ein.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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Wofür werden die Militärausgaben genau eingesetzt?

Natürlich für Rüstung, also für Waffen, für militärische Logistik und für die Finanzierung der Truppen. Aber nicht nur: Je nach Land fliesst auch ein beträchtlicher Teil der Militärausgaben in die Administration. In manchen Ländern wird bei den Verteidigungsausgaben etwa auch die Gendarmerie mitgerechnet, deren Aufgabe aber nicht die militärische Landesverteidigung ist. Mitunter verschlingen Renten für ehemalige Berufssoldaten beträchtliche Summen.

All diese Ausgaben erhöhen die Schlagkraft nicht. Länder wie Frankreich oder Grossbritannien haben zudem noch Besitztümer ausserhalb Europas, deren Verteidigung Mittel erfordert, die aber nicht der Verteidigung Europas dienen. Schliesslich gilt das Rüstungsgeschäft als korruptionsanfällig – also versickern auch da Milliarden ohne jeden militärischen Nutzen.

Was müsste sich ändern, damit mehr Ausgaben mehr Schlagkraft bringen?

Zunächst müsste der grösste Teil der Mittel in neue Waffensysteme, in die Vergrösserung der Arsenale und in den personellen Ausbau der Streitkräfte fliessen. Vor allem aber müsste man «europäischer» denken. Die europäischen Länder leisten sich immer noch viel zu viele verschiedene Waffensysteme, mehrere Kampfflugzeugtypen, mehrere Panzertypen, zahlreiche Artilleriesysteme. Oft sind die Systeme nicht kompatibel. Und auch die Kommandostrukturen sind unterschiedlich: Es gibt vielerorts Offiziere, welche die Nato-Leitsprache Englisch nicht genügend beherrschen. Das alles ist enorm ineffizient.

Soldat beobachtet Kampfflugzeug auf Rollbahn.
Legende: Die weltweiten Militärausgaben stiegen im vergangenen Jahr stärker als jemals seit Ende des Kalten Krieges. (Archivbild) Keystone/JILMER POSTMA

Man müsste sich darauf verständigen, einen europäischen Kampfjet, einen Kampfpanzer, einen Kampfhubschrauber, ein Raketenabwehrsystem, einen Fregattentyp und ein Transportflugzeug zu bauen. So käme man auf höhere Stückzahlen, schnellere Neuentwicklungen bei niedrigeren Kosten. Und es ist auch nicht effizient, wenn jedes Land, vor allem nicht kleinere Länder, sich eine umfassende Armee mit Luftwaffe, Marine, Infanterie und Cybertruppen leistet. Da brächte mehr Spezialisierung mehr Schlagkraft.

Warum geschieht diese Spezialisierung so wenig?

Weil in aussen- und sicherheitspolitischen Fragen Europa nach wie vor nicht wirklich existiert. Allen Bemühungen und Absichtserklärungen zum Trotz. Da regiert vielerorts noch immer der Nationalismus. Ein Stück weit ist das nachvollziehbar: Wenn ein Land mehr in die Rüstung investieren soll, lässt sich das der Bevölkerung besser verkaufen, wenn man sagen kann, das hilft unserer Rüstungsindustrie, das schafft bei uns tausende von Arbeitsplätzen. Und es geht auch um Nationalstolz: Wir haben eine Armee, die alle Formen der Kriegsführung beherrscht. Doch was politisch opportun ist, ist eben militärisch und für die Verteidigung Europas nicht effizient.

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HeuteMorgen, 28.04.2025, 6 Uhr ; 

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