Es ist das einzige Karussell im Umkreis hunderter Kilometer. Zwei Mädchen reiten auf weissen Kunststoffpferden. Aus dem Lautsprecher tönen russische Kinderlieder. Das Karussell gehört zum russischen Kulturzentrum von Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik.
Dahinter stehen drei grosse Zelte in den Farben der russischen Flagge. Im weissen Zelt wird Russisch unterrichtet, im blauen Zelt laufen Filme, das rote steht noch leer. Das Zentrum wurde im Januar 2022 eröffnet.
Das Kulturzentrum in Bangui ist Teil der russischen Charmeoffensive in Afrika. Moskau hat seine Präsenz in den letzten Jahren ausgebaut, primär im Sicherheitsbereich. Auch darum hat die Hälfte der afrikanischen Länder den Einmarsch Russlands in die Ukraine in der UNO-Generalversammlung nicht verurteilt.
Der russische Konsul unterrichtet
An der Universität von Bangui steht der russische Konsul vor den Studenten. «Natürlich ist das Soft Power, öffentliche Diplomatie, was ich hier mache», gesteht Vladislav Ilyin nach der Lektion. Immer samstags unterrichtet er Weltgeschichte mit russischem Anstrich im staubigen Raum mit zerschlagenen Fensterscheiben.
Ilyin spricht an diesem Morgen über den Prager Frühling. Er erzählt, wie Moskau mit seinem Eingriff damals eine Revolte verhindert habe. Die Studenten stellen Fragen und ereifern sich. Etwa über die Präsenz von US-Soldaten in Taiwan: «Das ist doch eine Provokation gegenüber China!»
Sowjets bildeten afrikanische Kader aus
Die Zusammenarbeit im Bildungsbereich hat Tradition: Die Sowjetunion lud ab 1960 afrikanische Studierende ein. «Die Universität der Völkerfreundschaft in Moskau wurde 1960 gegründet, um die afrikanischen Kader auszubilden», erzählt Ilyin. Im Kalten Krieg bekannten sich viele afrikanische Regierungen zum Kommunismus.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte Afrika für Moskau lange keine Priorität mehr. «Damals fehlten die Mittel, doch heute findet eine russische Renaissance in Afrika statt», erklärt der Konsul.
Heute studieren wieder 27'000 Afrikanerinnen und Afrikaner in Russland – ihre Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht. Und noch in diesem Jahr lädt Wladimir Putin in Sankt Petersburg zum zweiten Russland-Afrika-Gipfel.
In Bangui sind die Russen omnipräsent. Die Regierung hat ihnen gar ein Denkmal errichtet. Grosse Tafeln werben für neue Wodka-Marken. Und am Stadion hängen verwitterte Plakate einer Filmvorführung: «Touriste» erzählt, wie russische Soldaten das Land gerettet haben.
Auch wenn der Streifen fiktiv ist und die Russen glorifiziert – im Januar 2021 standen Rebellengruppen vor der Toren der Hauptstadt Bangui. Nur dank der Hilfe von russischen und ruandischen Truppen konnte sich der frisch gewählte Präsident an der Macht halten.
Russische Söldner töten folgenlos
Doch die russische Präsenz in Zentralafrika hat ihre Schattenseiten. «Die Russen zeigten uns ein Papier der Regierung, dann schickten sie alle Minenarbeiter weg.» Eine Frau erzählt anonym, wie die Goldmine neben ihrem Dorf in der Region Ouaka von russischen Söldnern übernommen wurde. Ihr Ehemann arbeitete in der Mine, er wehrte sich und wurde erschossen.
Die Söldner der sogenannten Wagner-Gruppe sind in der Zentralafrikanischen Republik seit vier Jahren aktiv. Sie kämpfen auf Seiten der Regierung gegen Rebellen. Doch sie töten auch Zivilisten - ohne Skrupel, und ohne Folgen. Das berichten Medien und Menschenrechtsorganisationen.
Zwar ist die Präsenz der Söldner in Zentralafrika nicht bestätigt. Doch in der Hauptstadt Bangui sieht man sie oft. Der Präsident wird von russischen Bodyguards bewacht. Ein Minister trat zudem im T-Shirt mit dem Schriftzug «Je suis Wagner» – «Ich bin Wagner» auf. Offiziell handelt es sich um russische Militärausbilder.
Russen und Franzosen vertragen sich nicht
Wieso denn eine Militärkooperation mit Russland? Aussenministerin Silvie Baïpo Temon erklärt: «Wir haben leider nicht den Luxus, unsere Partner auswählen zu können.» Das Land benötige die Hilfe aller Seiten, «um aus dieser Periode des Chaos zu kommen.»
Doch mit allen Seiten gleichzeitig kooperieren, das funktioniert nicht. Die unheimliche Präsenz der russischen Söldner führt dazu, dass westliche Partner wie etwa Frankreich auf dem Absprung sind. Der neue beste Freund der Zentralafrikanischen Republik heisst Russland.
Ein Kritiker der Kooperation mit Russland ist Charles Armel Doubane. Der frühere Aussenminister sagt: «Wenn Bangui mit Moskau ein militärisches Abkommen hat, dann gilt es, das zu akzeptieren. Doch zwischen Zentralafrika und Wagner – das ist keine staatliche Zusammenarbeit.»
Auch wenn der Kreml die Existenz der Söldner negiert: Sie sind für Moskau wertvoll. Russland fokussiert in Afrika auf einige wenige Staaten. Dort nimmt man die Führungselite für sich ein. In Zentralafrika reicht ein Kontingent von rund 1200 Söldnern, um das Land auf Russlands Seite zu ziehen. Das ist effizient.
Nicht in allen Ländern ist Russland militärisch so aktiv wie in der Zentralafrikanischen Republik oder in Mali. Doch unterdessen hat Moskau Verträge zur militärischen Zusammenarbeit mit rund dreissig afrikanischen Staaten abgeschlossen. Russland liefert zudem ein Drittel aller Waffen in Subsahara-Afrika.
Über die militärische Zusammenarbeit hinaus geht Russland in Afrika nur selten. Einige russische Firmen sind im Bergbau aktiv. Die staatliche Energiebehörde Rosatom plant Atomreaktoren. Doch noch steht kein russisches Kernkraftwerk auf dem Kontinent.
Auch bezüglich Entwicklungshilfe und diplomatischer Soft Power fällt Russlands Engagement gegenüber jenem Europas und der USA ab. Unter Präsident Biden haben die USA Afrika wiederentdeckt. Bald soll in Washington ein Gipfeltreffen mit Afrikas Staatschefs stattfinden.
Hoffnung auf Russlands Hilfe bleibt
Und doch glauben viele Afrikaner, dass die Russen ihnen und ihrem Land helfen könnten. Diese Hoffnung basiert in erster Linie auf gemeinsamen Werten. Russland und Afrika sind dem Westen gegenüber kritisch eingestellt. Moskau spricht bewusst antikoloniale Gefühle an und gibt sich wertkonservativ.
Der Westen hingegen bietet die bessere Projektionsfläche. US-Rap und Hollywood-Filme sind in ganz Afrika populär, englischer und spanischer Fussball ebenso. Dem kann Russland wenig entgegenhalten.
Die künftige Rolle Russlands in Afrika hängt davon ab, ob Moskau bereit ist, längerfristig in den Kontinent zu investieren. Bloss mit Söldnern, Stipendien und einem Karussell wird die russische Charmeoffensive in Afrika kaum gelingen.