- In Somalia droht den Menschen das Essen auszugehen.
- Seit diesem Frühling verschärft sich die Situation massiv.
- Neben dem andauernden Klimawandel fallen nun mit der Ukraine und Russland auch noch die beiden Hauptlieferanten für Weizen weg.
- Mehr als die Hälfte der Einwohner leidet bereits heute an Hunger – und es könnte noch viel schlimmer werden.
Somalia steht nach UNO-Angaben an der Schwelle zu einer Hungerkatastrophe. In der vierten Regenzeit in Folge habe es in dem nordostafrikanischen Land nicht genug geregnet, sagte Etienne Peterschmitt, der Vertreter der UNO-Agrarorganisation FAO, am Dienstag per Videoschalte aus Mogadischu zu Journalisten in Genf.
Die Ernten seien praktisch ausgefallen. Es habe je nach Region 40 bis 70 Prozent weniger geregnet als üblich. Die Preise für Nahrungsmittel seien drastisch gestiegen und die nötigen Mittel für humanitäre Hilfe seien bislang nicht zusammengekommen. «Hunderttausenden Somaliern drohen Hunger und Tod», sagte Peterschmitt. Rund 7.1 Millionen Menschen – das sind etwa 45 Prozent der Einwohner – hätten Probleme, genügend Essen für ihre Familien zu besorgen.
Seit Mitte April sei die Zahl der am schwersten Betroffenen um 160 Prozent auf 213'000 gestiegen. Ihnen drohe der Hungertod. Seit Mitte 2021 seien rund drei Millionen Tiere wegen der Dürre und Krankheiten verendet.
Wenn heute nicht gedüngt wird, steht die Ernte von morgen auf dem Spiel.
Wie schwierig die Situation vor Ort ist, beobachtet auch Afrika-Korrespondentin Anna Lemmenmeier. Sie spricht von einer «lebensbedrohlichen» Situation für die Menschen vor Ort. Betroffen sei nicht nur Somalia, sondern die ganze Region. Länder wie Kenia oder der Tschad würden ebenfalls einen Grossteil ihres Weizen importieren – meist aus Russland und der Ukraine.
Nach Kriegsausbruch hätten die Importeure sofort reagiert und die Preise erhöht. «Im Sudan stiegen die Brotpreise nach Kriegsausbruch über Nacht um 40 Prozent.» Es seien nicht nur Getreide, sondern beispielsweise auch Sonnenblumenöl oder Dünger, die teurer geworden sind. Besonders letzterer sei elementar für die Versorgung der Bevölkerung. «Wenn heute nicht gedüngt wird, steht die Ernte von morgen auf dem Spiel.»
Die Weltgemeinschaft ist gefordert
Die Gründe liegen dabei neben der Klimakrise auch am Ukraine-Krieg. «Der gesamte Weizenimport stammt zu 85 Prozent aus Russland und der Ukraine. Die Ukraine macht etwa 50 Prozent aus, gegenüber 35 Prozent, die bisher aus Russland kamen», sagte der UNO-Koordinator für Somalia, Adam Abdelmoula. Die aktuelle Lebensmittel-Knappheit könnte ein Vorbote sein dafür, was dem Land in Zukunft droht. «Die uns vorliegenden Informationen besagen, dass die Temperaturen in Somalia bis 2080 um 3.54 Grad steigen werden.» Damit werde das Land im Sommer praktisch unbewohnbar. Auch 1.5 Millionen Kindern droht nach FAO-Angaben akute Mangelernährung.
Interne Konflikte machten die Versorgung der Menschen schwierig. Nach Angaben von Peterschmitt werden dringend 105 Millionen Dollar (fast 102 Millionen Schweizer Franken) benötigt. Die FAO will Menschen auf dem Land sowohl mit Bargeld für den Einkauf von Lebensmitteln als auch in der Landwirtschaft unterstützen. Ernten sollen so besser werden, und den Menschen soll es dabei helfen, in ihren Dörfern zu bleiben.