- Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Portugal haben die regierenden Sozialisten ihre absolute Mehrheit verloren.
- Das konservative Parteienbündnis Demokratische Allianz (AD) kommt nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen auf 29.5 Prozent.
- Die Sozialistische Partei (PS) liegt knapp dahinter, mit 28.7 Prozent der Stimmen.
Der Spitzenkandidat der AD, Luís Montenegro, ein studierter Jurist, beanspruchte schon in der Nacht auf Montag den Sieg für sich. Der sozialistische Rivale Pedro Nuno Santos räumte seine Niederlage ein und kündigte den Gang in die Opposition an.
Die erst 2019 vom früheren Sportkommentator André Ventura gegründete Partei Chega (Es reicht) bleibt drittstärkste Kraft, baut ihren Vorsprung vor den kleineren Parteien aber drastisch aus: Die rechtspopulistische Partei kann ihren Stimmenanteil von rund sieben Prozent bei der Wahl Anfang 2022 mehr als verdoppeln – auf gut 18 Prozent.
In der «Assembleia da República» in Lissabon, die 230 Sitze hat, dürfte die Chega künftig statt 12 mindestens 48 Abgeordnete stellen. Die AD kommt nach Auszählung fast aller Stimmen auf mindestens 79 Sitze, die PS auf 77.
Schwierige Regierungsbildung droht
Nach jetzigem Stand dürfte eine Regierungsbeteiligung von Chega ausgeschlossen sein, wenn den Beteuerungen der Spitzenkandidaten Montenegro und Nuno Santos zu glauben ist. Beide hatten vor der Wahl versichert, sie würden auf keinen Fall mit den Rechtspopulisten über eine Zusammenarbeit verhandeln. In Portugal gibt es – ähnlich wie in Deutschland gegenüber der AfD – weiterhin eine sogenannte Brandmauer nach rechts.
Ebendarum droht dem Land nun eine schwierige Regierungsbildung – und womöglich sogar Unregierbarkeit. Denn auch mit Unterstützung kleinerer Parteien wird die AD bestenfalls eine schwache Minderheitsregierung bilden können, die von Staatsoberhaupt Marcelo Rebelo de Sousa und auch vom Parlament abgesegnet werden müsste.
Eine «Grosse Koalition» der PS und der AD gilt in Portugal als ausgeschlossen. Nicht wenige Beobachter gehen vor diesem Hintergrund von baldigen Neuwahlen aus.
Vorgezogene Neuwahlen nach Costas Rücktritt ausgerufen
Bei der letzten Wahl im Januar 2022 hatte die PS mit 41 Prozent gewonnen und 120 der insgesamt 230 Sitze in der Lissabonner «Assembleia da República» errungen. Im In- und Ausland wurde der frühere Erfolg der Sozialisten als das «portugiesische Wunder» gefeiert.
Nach der Euro-Schuldenkrise hatte der sozialistische Ministerpräsident António Costa das einstige EU-Sorgenkind jahrelang sehr solide geführt. Ausgabendisziplin, aber auch soziale Verantwortung zeichneten seine Arbeit aus. Die Wirtschaft wuchs all die Jahre fast immer über EU-Schnitt, die Arbeitslosigkeit wurde ebenso wie die Schulden stetig zurückgeschraubt.
Präsident Marcelo Rebelo de Sousa hatte die Abstimmung im November ausgerufen, nachdem Costa im Zuge eines Korruptionsskandals zurückgetreten und nur geschäftsführend im Amt geblieben war. Nach aktuellem Ermittlungsstand hat sich der 62-Jährige persönlich aber nichts zuschulden kommen lassen.