Das Wort Notstand hört er nicht gern. José Ignacio Landaluce Calleja bemüht sich um einen souveränen, einen staatsmännischen Auftritt. Er ist Bürgermeister von Algeciras und Senator in Madrid, ein Konservativer. In seiner Stadt sind Tausende Migranten angekommen. Der Bürgermeister geht hin und redet mit ihnen.
«Sie alle haben Tausende Nöte, Tausende Schwierigkeiten, Tausende Wegstrecken voller Hindernisse und Gefahren durchgestanden, sie haben körperlich und seelisch einen sehr anstrengenden Weg hinter sich. Darum sind sie zuerst einmal glücklich, hier anzukommen», sagt Landaluce Calleja. Die Leute seien in guter Verfassung und froh, den Boden erreicht zu haben, von dem sie lange geträumt hatten.
«Keinen Tag können wir warten»
Die Stadt sei überfordert, hört man, liest man auch in den spanischen Medien. Landaluce sagt es nicht so, er tönt an, er formuliert indirekt. Jetzt, sagt er, müssten alle handeln. Die Regierung müsse das Problem anpacken, Brüssel müsse helfen. Auch Marokko müsse helfen, um die Migrantenströme zu unterbinden.
«Und wir müssen schnell ein Zentrum eröffnen, das die vielen Menschen aufnehmen kann.» Zur Diskussion steht ein alter Teil des Hafens, mit leeren Lagerhallen. «Wir können nicht warten», sagt Landaluce, der Bürgermeister. «Keinen Tag können wir warten.»
Das klingt schon dringlich, aber gegenüber einer konservativen Madrider Zeitung ist er noch deutlicher geworden und hat seine Stadt das neue Lampedusa genannt. Diese Affiche ist dramatisch. «Ja, das stimmt», sagt Landaluce Calleja, «das habe ich gesagt, weil wir es mit einem grossen humanitären Problem zu tun haben.» Er betont auch, die Schleppermafia habe die Mittelmeerrouten nach Westen verlegt.
Die Suche nach Lösungen
Übersetzt heisst das: Spanien hat mehr zu gewärtigen. Wir sind erst in der Mitte des Jahres. Innenminister Fernando Grande-Marlaska weiss das, behauptet aber, zu Besuch im Süden, die Lage sei unter Kontrolle. Hilfswerke widersprechen vehement und reden vom Kollaps des ganzen Systems.
Der sozialistische Minister, seit zwei Monaten im Amt, zeigt auf seine Vorgänger: «Es fehlte etwas an Voraussicht», sagt Grande-Marlaska. «Die letzte Regierung hätte Ende 2017 schon erkennen können, wie die Migration sich entwickelt. Wir hatten damals schon Rekordzahlen. Dass die weiter steigen würden, war zumindest denkbar», sagt der Minister. Die Zahlen geben ihm Recht.
Der neue konservative Parteichef Pablo Casado kontert mit Äusserungen, denen genau diese Grundlage fehlt. Spanien brauche jetzt eine Partei, die den Leuten die Wahrheit sage, auch wenn sie politisch unkorrekt klinge. Spanien könne nicht alle Migranten akzeptieren. «Spanien kann unmöglich Millionen von Afrikanern aufnehmen, die nach Europa kommen und hier ein besseres Leben führen wollen», sagt Casado.
Bisher redet man von 24'000 Migranten in diesem Jahr. So sehen die Fakten aus. Ob sich in der öffentlichen Debatte Spaniens Fakten oder Fantasien besser halten, weiss derzeit noch niemand.