Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich öffentlich gegen eine Zweistaatenlösung ausgesprochen. Israel müsse auch Nein sagen können, verkündete er – auch zu den besten Freunden, also auch zu den USA. Israel müsse die Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordans behalten. Damit scheint Netanjahu eine Zweistaatenlösung abzulehnen und widerspricht den USA, die auf eine solche pochen.
Die Spannungen zwischen den Verbündeten schwelen schon länger: «Diese Unterhaltung ist vorbei» – so soll US-Präsident Biden am 23. Dezember ein Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu brüsk beendet haben. Angeblich haben die beiden nachher lange nicht mehr miteinander gesprochen. Die Episode illustriert die Spannungen zwischen den USA und Israel und die Frustration im Weissen Haus, von der in US-Medien zu lesen ist.
Kritik und Rückendeckung
Schon vor dem Krieg waren die Beziehungen zwischen Biden und Netanjahu nicht einfach. Biden kritisierte die Rechtsaussen-Regierung in Israel für die umstrittene Justizreform. Doch das schien nach dem Terrorangriff der Hamas vorerst vergessen. Biden gilt als langjähriger und enger Freund von Israel. Nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober stellte er sich demonstrativ hinter Israel und reiste persönlich nach Tel Aviv.
Gleichzeitig versuchte Washington im Nahen Osten eine Eskalation zu verhindern. Israel wurde zur Zurückhaltung gemahnt. Die israelischen Streitkräfte müssten auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen Rücksicht nehmen. Es müsse humanitäre Hilfe ins Kriegsgebiet gelangen.
Appelle der USA verhallen
Diese Appelle wurden immer lauter, doch sie haben anscheinend keine grosse Wirkung. Die Zerstörung im Gazastreifen ist gross, es kam zu Zehntausenden zivilen Opfern. Kommt dazu, dass Biden und Netanjahu offenbar unterschiedliche Vorstellungen für die Zeit nach dem Krieg haben.
Nur eine Zweistaatenlösung komme in Frage, heisst es aus Washington. Netanjahu aber scheint mit seiner jüngsten Äusserung einen palästinensischen Staat auszuschliessen. Damit treten die Spannungen zwischen Washington und Israel offen zu Tage.
Reisst Bidens Geduldsfaden?
Noch hat Biden seine pro-israelische Position nicht grundsätzlich geändert. Im UNO-Sicherheitsrat haben die USA eine Resolution für einen Waffenstillstand im Gazastreifen per Veto blockiert. Innenpolitisch ist das zum Problem geworden. Der linke, progressive Flügel von Bidens Partei drängt auf einen Waffenstillstand. Besonders junge Wählerinnen und Wähler kritisieren Biden scharf. «Genocide Joe» wird er von Protestierenden genannt. Und das in einem Wahljahr.
Biden hat schlechte Zustimmungswerte. Die Präsidentschaftswahl dürfte mit einem knappen Resultat enden. Biden setzt auch auf junge Wählerinnen und Wähler oder auf arabische und muslimische Wähler. Sie sind ein Faktor. Etwa im Bundesstaat Michigan, der sehr umkämpft ist. Ihre Unterstützung könnte Biden mit seiner Pro-Israel-Haltung verlieren. Man darf sich vor diesem Hintergrund fragen, wann die Geduld Bidens mit Ministerpräsident Netanjahu zu Ende ist.