Das IKRK ist heute ein humanitärer Riese. Mit über 20'000 Angestellten in mehr als hundert Ländern und einem geplanten Budget fürs laufende Jahr von 2.8 Milliarden Franken.
Doch so viele Mittel bekommt die Genfer Organisation nicht zusammen. Spendenbereitschaft und Mittelbedarf klaffen erstmals weit auseinander. Die humanitären Bedürfnisse wachsen: Es gibt mehr neue kriegerische Konflikte – wie jenen in der Ukraine. Und alte dauern fort – in Syrien, im Jemen, in Afghanistan, im Sahel.
Mangel an grossen Zahlern
Die grössten Zahler – die USA, die EU, Grossbritannien oder Japan, aber auch die Schweiz – sind nicht imstande oder nicht willens, Jahr für Jahr viel mehr Geld ans IKRK zu überweisen. Und trotz grosser Bemühungen gelang es nicht, in grossem Stil neue Quellen anzuzapfen – die reichen Golfstaaten, China, Grosskonzerne oder wohlhabende Privatleute.
Das Budget für 2023 muss deshalb um 430 Millionen Franken heruntergefahren werden. Gut 1500 Arbeitsplätze, fast acht Prozent des Personalbestands, verschwinden. Wie viele davon am Genfer Hauptsitz, ist offen. Ebenso, ob das IKRK ganze Hilfsoperationen abbricht. Das Sparprogramm ist einschneidend, selbst wenn der Personalabbau wohl mehrheitlich über normale Abgänge erfolgt.
Konzentration der Kräfte auf den Kernauftrag
Das IKRK muss nun stärker Prioritäten setzen. Als einzige Hilfsorganisation besitzt es ein internationales Mandat. Die Genfer Konventionen beauftragen es mit der Förderung und Durchsetzung des humanitären Kriegsvölkerrechts, dem Schutz von Zivilisten in Kriegsgebieten und mit Gefangenenbesuchen. Hier ist das Rote Kreuz exklusiv tätig und darf in seinen Anstrengungen nicht nachlassen. Bei der humanitären Hilfe indes, erst recht wenn sie in langandauernden Konflikten zu Entwicklungshilfe wird, gibt es auch andere Akteure: die UNO, Staaten und Hilfswerke.
Die IKRK-Führung schnallt den Gürtel widerstrebend enger. Wer verabschiedet sich schon gerne vom Wachstum, selbst wenn es nicht selbstgewählt war. Doch jetzt wird die Konzentration der Kräfte, wird eine stärkere Rückbesinnung auf den Kernauftrag unausweichlich. Für das Profil der Organisation ist das nicht notgedrungen schlecht.