Bei einer Online-Sammelaktion kamen Anfang Woche 7.5 Milliarden Euro zusammen. Aufgerufen zu der internationalen, virtuellen Geberkonferenz hatte die EU – für die Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus. Denn diese sei teuer, weiss SRF-Wissenschaftsredaktor Thomas Häusler.
SRF News: Es gibt weltweit schon rund 70 Forschungsprojekte, die an einem Impfstoff arbeiten. Braucht es dieses Geld noch zusätzlich?
Thomas Häusler: Ja, denn alle diese Projekte stehen erst am Anfang, und dann ist es noch vergleichsweise billig. Richtig teuer wird es erst, wenn die Impfstoffe an einigen tausend Menschen getestet werden. Das kostet pro Impfstoff Dutzende Millionen Franken oder mehr. Und sehr teuer wird dann auch die Herstellung. Denn viele dieser Impfstoffprojekte folgen neuen Verfahren, und für diese gibt es teilweise noch gar keine Produktionsanlagen.
Man muss wohl mit dem Bau von Fabriken beginnen, bevor man überhaupt genau weiss, welche Impfstoffe wirklich funktionieren.
Das sind Milliarden-Investitionen. Und weil es sehr schnell gehen muss, muss man wohl mit dem Bau von Fabriken beginnen, bevor man überhaupt genau weiss, welche Impfstoffe wirklich funktionieren werden und ob man dann diese speziell dafür gebauten Fabriken überhaupt brauchen kann.
Also geht es nicht nur darum, einen Impfstoff zu entwickeln?
Nein, es geht auch um die Produktion. Darum, dass dieser Impfstoff möglichst rasch in grosser Menge zur Verfügung steht. Man braucht rasch mehrere Milliarden Dosen, um alle Menschen weltweit zu impfen. Und dieser Impfstoff muss auch so billig sein, dass ihn sich alle Länder leisten können. Gerade die ärmsten Staaten werden auf Impfstoffe angewiesen sein, weil sie kaum die Möglichkeit haben, schwer kranke Coronapatienten zu behandeln, wie es bei uns der Fall ist. Man wird den Impfstoff also subventionieren müssen.
Wie wichtig ist die internationale Zusammenarbeit dabei?
Sehr wichtig, einerseits aus politischen, aber auch aus finanziellen Gründen. Niemand kann diese riesigen Summen allein stemmen. Auch wissenschaftlich ist die Zusammenarbeit nötig. Es braucht sehr viel verschiedenes Know-how, um einen Impfstoff zu entwickeln, ihn zu testen und zu produzieren.
Wie bei den Lieferketten in der Autoindustrie gibt es auch in der Pharmaindustrie bereits globale Ketten und Netzwerke. Das heisst: Die Länder und Firmen sind stark aufeinander angewiesen. Produktionsstätten für Impfstoffe gibt es nicht in jedem Land. Wenn es in einem Land keine gibt, ist es auf Importe angewiesen. Auch bei der Forschung gibt es Zentren. Diese müssen zusammenarbeiten, sonst klappt das mit der Entwicklung nicht.
Es geht also auch darum, sich gegen nationale Alleingänge abzusichern?
Ja, dieser Aspekt ist sehr wichtig. Viele Länder agieren momentan sehr eigennützig, sperren die Grenzen für die Exporte knapper Güter wie Masken und Pharmaprodukte. Es gibt klare Signale der US-Regierung, dass sie zuallererst einen Impfstoff für ihre eigenen Bürger sichern will. Natürlich ist es ein Stück weit die Aufgabe einer Regierung, für ihre Bürger zu sorgen.
Wenn die Nachbarländer plötzlich ganz viele Fälle haben, habe ich auch ein Problem.
In dieser globalen Krise müssen die reichen Länder aber auch über Grenzen hinweg denken. Denn was nützt es mir, wenn ich einen Impfstoff habe, aber meine Nachbarländer ihn sich nicht leisten können und plötzlich ganz viele Fälle haben? Dann habe ich auch ein Problem.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.