Geschlossene Geschäfte, menschenleere Strassen und Züge, kein Kinderlachen auf dem Schulhof: Solche Szenen gab es in Schweden zur Zeit der Coronavirus-Pandemie nie. Das skandinavische Land verzichtete von Anfang an auf einen Shutdown. Doch die Zahlen der Infizierten und an Covid-19 Verstorbenen sind vergleichsweise hoch. War der Weg dennoch richtig? Die SRF-Leserinnen sind gespalten.
In einer nicht-repräsentativen Umfrage (Stand Freitagmorgen) ist eine knappe Mehrheit der Meinung, Schweden zahle mit den verhältnismässig vielen Opfern einen zu hohen Preis. Rolf Bombach schreibt: «Schweden macht es nicht besser, Schweden macht irgendwie gar nichts. Seit Ende März gibt es in Schweden im Schnitt jeden Tag 500 positive Tests – eine Trendwende ist nicht zu erkennen.»
Ausgerechnet die selbstgerechten Schweden, welche bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit dem Moralfinger fuchteln, opfern jetzt die Schwächsten in der Gesellschaft.
Mit Blick auf die hohe Opferzahl in schwedischen Altersheimen findet auch SRF-User Andreas Meier deutliche Worte: «Ausgerechnet die selbstgerechten Schweden, welche bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit dem Moralfinger fuchteln, opfern jetzt die Schwächsten in der Gesellschaft.» Andreas Trasser sieht dies auch als den Wermutstropfen im schwedischen Sonderweg: «Der einzige Fehler der Schweden war, dass sie die Altersheime nicht genügend geschützt haben.»
Doch es gibt durchaus auch positive Stimmen – der schwedische Weg findet vor allem deshalb Zustimmung, weil von Anfang an auf die Eigenverantwortung gesetzt wurde. Tim Lüthi schreibt sogar: «Schweden ist das einzige Land, das in dieser Krise richtig und demokratisch gehandelt hat.» Auch wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen umstritten sind, fügt Peter Fischer hinzu: «Wichtig ist, dass das Gesundheitssystem nicht zusammengebrochen ist. Dafür haben die Schweden sicher die günstigste Variante gewählt.»
Ebenso unsicher, wie in der Endabrechnung die wirtschaftlichen Auswirkungen sein werden, sind die Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Pandemie. SRF-User Matt Frepp wagt eine Prognose, was eine allfällige zweite Welle angeht: «Die Schweden dürften dem dank Herdenimmunität wesentlich gelassener entgegensehen.»
Ich finde es gut, dass Schweden einen anderen Weg gegangen ist, denn so können wir langfristige Vergleiche anstellen und lernen.
Doch noch weiss niemand, ob das Prinzip der Herdenimmunität tatsächlich ein Vorteil sein wird. Paul Graber sieht im schwedischen Sonderweg auf alle Fälle einen Vorteil, von dem auch andere Länder profitieren werden: «Ich finde es gut, dass Schweden einen anderen Weg gegangen ist, denn so können wir langfristige Vergleiche anstellen und lernen.»
Der Chef der Schweizer Covid-19-Taskforce, Matthias Egger, beurteilte den Weg Schwedens in der «Rundschau» kritisch. Egger merkte an, dass die Massnahmen in Schweden und der Schweiz mittlerweile vergleichbar seien, doch in Schweden würden die Zahlen nicht markant zurückgehen wie in der Schweiz.
Schweden hat trotz einer besseren Ausgangslage mehr Fälle zu beklagen. Zum Glück werden wir nie wissen, wie viele mehr bei uns gestorben wären.
Wer hat es nun besser gemacht? Viele SRF-Nutzerinnen und -Nutzer sind auf der Seite der Schweizer Entscheidungsträger. Florian Kleffel etwa schreibt: «Schweden hat trotz einer besseren Ausgangslage mehr Fälle zu beklagen. Zum Glück werden wir nie wissen, wie viele mehr bei uns gestorben wären.»
Zudem sei die Zahl der Erkrankten in Schweden sehr hoch – bedenke man, dass das Land keine so hohe Bevölkerungsdichte habe wie die Schweiz und auch kaum Gastarbeiter aus stark betroffenen Ländern, schreibt etwa Cecile Meier.
Dem Virus ist die politische Karte Wurst.
Doch es gibt auch Stimmen, die die Schweden im Vorteil sehen, oftmals wird dabei ein Abwägen zwischen Sicherheit und Freiheit ins Spiel gebracht. Maria Kaiser schreibt: «Der Schwerpunkt muss die Freiheit der Bürger sein.» Sie hofft, dass der Schweizer Bundesrat von den Schweden lernen werde.
Doch kann man die beiden Länder überhaupt vergleichen? Nein, meint SRF-User Enrico Dandolo. Wenn schon, müssten Nachbarländer verglichen werden, denn: «Dem Virus ist die politische Karte Wurst.»