Die Türkei hat schon länger ein Problem mit steigender Inflation. Ulrich Leuchtmann ist Währungsexperte der deutschen Commerzbank. Er sagt: «Die Inflation steigt schon seit 2020. Der Grund dafür ist zum grossen Teil die Schwäche der türkischen Lira.»
Weil die Lira im Laufe der Zeit an Wert verlor, wurde es immer teurer, Waren und Rohstoffe aus dem Ausland zu importieren. Auf die ist die Türkei aber angewiesen. Die steigenden Preise kurbeln die Inflation weiter an. Kommt hinzu, dass auch die Lebensmittelpreise zuletzt stark gestiegen sind. Das hat die Inflation weiter angeheizt.
Eine gefährliche Aufwärtsspirale
Normalerweise empfiehlt das Lehrbuch bei kräftig steigender Inflation, den Leitzins zu erhöhen. Auch Unternehmen müssen dann höhere Zinsen für Kredite zahlen und nehmen deshalb weniger Kredite auf. Die Geldmenge wird verknappt, die Inflation würde sinken.
Der unerwünschte Nebeneffekt dabei ist, dass es die Wirtschaft bremst. Trotz dieser Risiken hat die türkische Notenbank den Leitzins schon paar Mal erhöht, sagt Leuchtmann: «Die Erhöhungen kamen immer sehr spät. Sie kamen erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen war und die Inflation schon deutlich gestiegen war.»
So eine Unsicherheit ist eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Angesichts von knapp 20 Prozent Inflation müsste der Leitzins jetzt noch einmal angehoben werden, meint er. Aber kaum jemand am Finanzmarkt erwarte das. Leuchtmann: «Das liegt daran, dass die Politik immer wieder in die Geldpolitik eingreift und so verhindert, dass frühzeitig genug gestrafft wird.»
Erdogan will die Wirtschaft nicht abwürgen
Mit der Politik ist Staatspräsident Tayyip Erdogan gemeint. Er lehnt Leitzinserhöhungen strikt ab. Das macht er aus Angst, weil so die Wirtschaft abgewürgt werden könnte.
«Das schafft Unsicherheit über Preisstabilität und so eine Unsicherheit ist eine selbsterfüllende Prophezeiung», sagt der Währungsexperte Leuchtmann dazu. Denn wenn alle befürchten, dass eine Inflation kommt, dann kommt sie wahrscheinlich auch. Ein schnelles Ende des Preisauftriebs in der Türkei ist daher nicht in Sicht.