Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Südpol ein grosses Thema. Polarforscher lieferten einander ein Wettrennen. Die Welt fieberte mit. In der Folge erhoben zahlreiche Staaten Ansprüche auf riesige Landstriche in der Antarktis, die anderthalbmal so gross ist wie ganz Europa.
Zu diesen Staaten gehörten etwa Grossbritannien, Frankreich, Norwegen, Neuseeland und die Anrainerstaaten Australien, Chile und Argentinien. Weil sich die Gebietsforderungen überlappten, war Streit programmiert.
Antarktis-Vertrag von 1959
Doch dann schaffte der internationale Antarktis-Vertrag für mehr als 60 Jahre Ruhe. Eine Ruhe, die nun in Gefahr ist, fürchtet in einem Seminar des Genfer Graduate Institute Professor Alan Hemmings von der Universität Canterbury: «Das Antarktis-Vertragswerk ist angeschlagen, es muss dringend restauriert werden. Ich hoffe, dass es überlebt.»
Bloss in der Frage, wie genau der Antarktis-Vertrag gerettet, reformiert oder ersetzt werden soll, fehlt die Einigkeit. Das Grundproblem ist ein doppeltes: Wegen des Klimawandels werden die Antarktis und angrenzende Meeresgebiete zugänglicher. Und damit die dortigen Fischgründe und riesige Rohstoffvorkommen.
Fischgründe und Bodenschätze
Gleichzeitig setzten wegen der derzeit enormen weltpolitischen Spannungen grosse Mächte ihre Interessen immer forscher durch, sagt Professor Sanjay Chaturvedi von der Südasien-Universität in Neu-Delhi: «Die relevanten Akteure sind offenbar ausserstande, den Antarktis-Vertrag ins 21. Jahrhundert zu holen.»
Die relevanten Akteure sind offenbar ausserstande, den Antarktis-Vertrag ins 21. Jahrhundert zu holen.
«In der Antarktis – genauso wie in der Arktis – spiegelt sich das Machtgerangel in der Welt», unterstreicht Professor Rasmus Bertelsen von der Arktis-Universität im norwegischen Tromsö. Erforderlich wäre eine Stärkung, zum einen durch die massive Ausweitung geschützter Fischgründe. Zum andern, indem zumindest der Abbau fossiler Ressourcen auf alle Zeiten verboten würde.
«Nötig wären zudem noch schärfere Bestimmungen, die jegliche Militarisierung dieser Weltgegend verbieten», fordert Alan Hemmings. Gelinge das nicht, sei es bloss noch eine Frage der Zeit, bevor auch die Südpolarregion zum Spielball weltpolitischer und wirtschaftlicher Interessen werde.
In der Antarktis – genauso wie in der Arktis – spiegelt sich das Machtgerangel in der Welt.
Ein Negativbeispiel liefert bereits der Tourismus: Obschon die Antarktis eigentlich nur für Wissenschaftler zugänglich sein dürfte, wird sie inzwischen von jährlich 75’000 Urlaubern besucht – oder heimgesucht, Tendenz rapide steigend.
Dazu kommt: Der Antarktis-Vertrag und die Zusatz-Abkommen gründen in einer Zeit, da westliche Länder weltweit den Ton angaben. Nun müsste man auch China, Russland oder Länder wie Südafrika an Bord holen.
«Gerade Peking sieht sich in der Arktis wie in der Antarktis als Schlüsselakteur», betont Nong Hong, die Direktorin des Instituts für China-USA-Studien in Washington. In kürzester Zeit entstanden gleich vier chinesische Forschungsstationen in der Antarktis, eine fünfte ist im Bau. Gleichzeitig wehrt sich China, unterstützt von Russland, gegen neue Fischschutzzonen.
Peking sieht sich in der Arktis wie in der Antarktis als Schlüsselakteur.
Ohne mehr Mitgestaltung durch Peking und andere scheinen neue diplomatische Lösungen und Abkommen ausser Reichweite. Und damit das Ziel, dass die Antarktis auch künftig eine riesige Zone des Friedens und weitgehend ein Naturreservat bleibt.