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Die Lage an der Front in der Ukraine
Aus Echo der Zeit vom 11.10.2024. Bild: Keystone/Yevhen Titov
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Stellungskrieg im Donbass «Die Ukraine kämpft weiter, um die russische Armee zu erschöpfen»

Im Osten der Ukraine tobt der Krieg mit Russland in hoher Intensität. Der Sommer sei von einem Stellungskrieg in der Ostukraine gekennzeichnet gewesen, sagt der Historiker Marcel Berni zur aktuellen Lage an der Front. 

Marcel Berni

Militärexperte

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Marcel Berni forscht und lehrt seit 2014 als wissenschaftlicher Assistent an der Schweizerischen Militärakademie der ETH Zürich. 2019 promovierte er mit einer Arbeit über kommunistische Gefangene im Vietnamkrieg an der Universität Hamburg. Seit 2022 vertritt er die Dozentur Strategische Studien in Forschung und Lehre.

SRF News: Wie beurteilen Sie die momentane Lage an der Front? 

Marcel Berni: Im Mai hatte Russland einen Ausbruchsversuch aus diesem Stellungskrieg mit dem Angriff auf Charkiw vorgenommen. Im August versuchte dann die Ukraine einen anderen Ausbruch mit dem Vorstoss in die russische Oblast Kursk. Russland hat aber diesen militärischen «Köder» nicht angenommen und keine Truppen aus dem Donbass abgezogen. Darum bleibt die Ostukraine der operative Schwerpunkt des russischen Generalstabs.

Wie stark müssen die russischen Angriffe und Geländegewinne der Ukraine Sorge bereiten?

Ziel dürfte die Vereinigung verschiedener russischer Truppen sein, sodass nicht nur ein Gebietsgewinn von einzelnen Dörfern erfolgt, sondern eine grössere, raumgreifende Operation zu einer Kampagne verbunden werden kann. Darum muss die Ukraine weiterhin diesen Abnutzungskampf führen. Darüber hinaus versucht sie aber auch vor allem mit Drohnenangriffen weit hinter der russischen Front anzugreifen.

Die Ostukraine bleibt operativer Schwerpunkt des russischen Generalstabs.

Was ist das Ziel dieser ukrainischen Angriffe?

Ziel ist es, die russische Versorgung ins Kriegsgebiet zu hindern und damit eine Entlastung im Donbass zu haben. Das war auch ein grosses Ziel der ukrainischen Gegenoffensive bei Kursk. Das ist aber nur begrenzt erfolgt. 

Die russischen Truppen greifen mit grosser Wucht an, heisst es aus Kiew. Mit welchem Ziel?                

Das Ziel dürfte die Stadt Pokrowsk sein. Das ist ein grosser Logistikknotenpunkt, über den der Nachschub für die ukrainischen Truppen läuft. Auch die ukrainische Hauptverteidigungslinie liegt in dieser Region, wo sich flaches und nicht immer leicht zu verteidigendes Gebiet befindet.               

Warum erfolgen diese Vorstösse gerade jetzt?               

Der Winter steht an, damit beginnt wieder die Schlammperiode in der Region. Dann stehen politische Weichenstellungen an, insbesondere mit der US-Präsidentschaftswahl. Das alles lässt beide Seiten in ihrem Verteidigungs- oder Angriffskrieg erstarken. Zudem hat Russland auch grosse Engpässe bei der Rekrutierung neuer Soldaten. So sind beide Seiten daran, vor Wintereinbruch so viel Gebiet wie möglich zu verteidigen oder noch zu erobern.

Verbrannter Wald mit rauchenden Baumstämmen.
Legende: Verbrannte Wälder bei Lyman, in der Region Donezk, nach den russischen Angriffen im Sommer. Reuters / Thomas Peter

Der Vorstoss in die Region Kursk hat aber nicht viel gebracht?                

Er hat vor allem im Informationsraum auf die Ukraine aufmerksam gemacht und der Ukraine moralisch etwas gebracht. Aber der militärische Nutzen ist begrenzt, weil Russland nicht aufgehört hat, im Donbass anzugreifen. Die Ukraine könnte für diesen Geländegewinn in Russland den ganzen Donbass riskieren. Das wäre natürlich kontraproduktiv, weil die Ukraine einige ihrer besten Truppenteile aus dem Donbass herauslösen musste, um den Angriff in Kursk zu führen.                

Beide Seiten versuchen, vor Wintereinbruch so viel Gebiet wie möglich zu verteidigen oder noch zu erobern.

Unter welchen Vorzeichen steht der dritte Kriegswinter?                

Vor allem der Donbass wird weiterhin umkämpft sein. Die Ukraine muss diesen Kampf dort weiterführen, um die Russen zu erschöpfen. Russland wird die Ukraine weiterhin zu diesem Abnutzungskrieg zwingen, indem die Energieversorgung und Infrastruktur mit Drohnen und Raketen angegriffen wird. Auch die Ukraine dürfte darum weiterhin die strategischen Reserven Russlands mit weitreichenden Drohnen angreifen.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 11.10.2024, 18:00 Uhr ; 

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