Ein halbes Jahrhundert nach dem allerersten Welt-Umweltgipfel treffen sich Vertreterinnen und Vertreter aus fast allen UNO-Mitgliedsstaaten erneut in Stockholm – zu Stockholm+50. Während 1972 ein neues politisches Thema – die Umweltpolitik – auf die globale Tagesordnung gesetzt wurde, gehören ökologische Fragen heute zu den am stärksten diskutierten überhaupt.
Hinzu kommt, dass sich im Unterschied zu den frühen 1970er-Jahren heute nicht nur Ministerinnen und Minister die öffentliche Bühne streitig machen, sondern auch Fachleute und Nichtregierungsorganisationen. Zudem melden sich auch viele jugendliche Aktivistinnen und Aktivsten zu Wort. Letztere stellen sich sehr kritisch zu den Resultaten der ersten fünfzig Jahre globaler Umweltpolitik.
Dabei, so betont der Leiter des UNO-Entwicklungsprogramms (UNDP) Achim Steiner, gebe es durchaus auch Erfolge zu vermelden. Man habe seit 1972 viel geleistet. Steiner nennt etwa den sauren Regen, der in den 1980er-Jahren vor allem in Osteuropa zu einem grossflächigen Waldsterben geführt hatte – und mit der Reinigung von Abgasen, die bei Verbrennungen entstehen, eingedämmt werden konnte.
Oder: «Wir hatten auch ein Loch in der Ozonschicht.» Inzwischen habe man das Problem dank dem Montreal Protokoll, einem internationalen Abkommen, soweit im Griff, dass sich die Ozonschicht regeneriere.
Riesige aktuelle Herausforderungen
Trotzdem sieht aber auch Steiner, der lange auch das UNO-Umweltprogramm geleitet hat, grosse Mängel und Defizite im Umgang mit den ökologischen Herausforderungen – allen voran dem Klimawandel. «Wir haben keine Zeit mehr – und das Problem ist nicht unter Kontrolle», warnt er.
Beim Klimawandel haben wir keine Zeit mehr.
Grosse Probleme sieht Steiner etwa auch beim Artenschutz, durch den Verlust von Ökosystemen und bei der weltweiten Luftverschmutzung. «Es sind viele, viele Herausforderungen.»
An der zweitägigen Nachfolgekonferenz Stockholm+50, die am Freitagabend zu Ende geht, sollen «keine neuen grossen Beschlüsse gefällt werden, aber das Bewusstsein für die menschliche Verantwortung für die Umwelt soll geschärft werden», wie die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson zur Eröffnung sagte.
Mensch bedroht Überleben der Menschheit
An diesem Punkt setzt auch UNDP-Chef Steiner an, wenn er von der wachsenden Bedeutung des Menschen für das Leben auf der Erde spricht. «Der Mensch hat die Lebensgrundlagen und ökologischen Systeme auf unserem Planeten so stark beeinträchtigt, dass wir langfristig das Überleben der Menschheit gefährden.» Das zu verstehen und zu begreifen, sei der Menschheit schwergefallen.
Wir befinden uns in einer Phase in der Geschichte des Planeten Erde, in der der Mensch zum dominierenden Faktor geworden ist.
Der 61-jährige Deutschstämmige, dessen in Deutschland geborener Vater als Landwirt nach Brasilien auswanderte, geht noch einen Schritt weiter. Er deutet an, dass wir uns möglicherweise am Ende einer seit über 11'000 Jahren dauernden geologischen Epoche befinden.
Wir befänden uns am Übergang vom Holozän ins Anthropozän – «eine Phase in der Geschichte des Planeten Erde, in der der Mensch zum dominierenden Faktor geworden ist.»
Diese Dominanz des Menschen auf der Erde verpflichtet, es muss Verantwortung übernommen werden. Wenn es der Stockholm+50 Konferenz gelingt, in dieser Beziehung wichtige Pflöcke einzuschlagen, dann wird der aktuelle Umweltgipfel vielleicht wie jener vor einem halben Jahrhundert in die Geschichte eingehen.