Er wurde vergiftet und überlebte. Dann kehrte er nach Russland zurück, wo ihm ein fragwürdiger Prozess gemacht wurde. Das Urteil: zweieinhalb Jahre Straflager für den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny.
Dass er am Sonntag in ein Straflager überführt wurde, wissen bisher weder seine Frau noch seine Anwälte offiziell, wie SRF-Russland-Korrespondent David Nauer berichtet. Laut russischen Staatsmedien befindet sich Nawalny jetzt in der «Besserungskolonie 2», einer Anlage 100 Kilometer östlich von Moskau.
Wie funktioniert der russische Strafvollzug?
In Russland kommt eine verurteilte Person normalerweise in ein Straflager. Diese sind letztlich ein Erbe des Gulag-Systems der Stalin- Diktatur. Gefängnisse mit Zellen gibt es in Russland kaum. Die Straflager oder -kolonien sind meist grosse Anlagen mit Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäuden sowie Produktionsstätten. Es gibt Lebensmittelläden, Sportanlagen und eine Kirche. Sie sind wie kleine Dörfer oder Städte.
Die meisten der rund 500'000 Sträflinge in Russland sitzen in solchen mehrfach umzäunten Kolonien. Nicht weniger als fünf Zäune sind es in der Anlage, wo Nawalny jetzt sein soll, so Nauer. Die Häftlinge leben in Baracken mit Schlafsälen für bis zu 150 Personen.
Rote und schwarze Lager
Informell wird nach roten und schwarzen Straflagern unterschieden. Erstere werden von den Strafvollzugsbehörden kontrolliert, letztere werden von kriminellen Subkulturen beherrscht, wo eine Art Mafiabosse das Sagen haben. Diese kriminellen «Autoritäten» regeln dann quasi das Leben im Auftrag der Behörden beziehungsweise weitgehend unabhängig.
Ehemalige Gefangene in schwarzen Lagern berichten von strengen Hierarchien, aber relativ vielen Freiheiten. Wer sich unterordnet, kann ein relativ entspanntes Haftleben führen. Es soll auch viele Drogen und Handys geben und die Insassen sind in der Regel nicht in Baracken eingesperrt.
Schwerste Bedingungen für Nawalny
Nawalny ist in einem roten Straflager mit sehr viel strengerem Haftregime, wie Nauer erklärt. Auch unter roten Lagern soll es zwar solche geben, wo Gefangene nicht schikaniert oder gequält werden. Das Lager 2 habe allerdings den Ruf extrem harter Bedingungen.
Ehemalige Häftlinge hätten in den letzten Tagen schreckliche Dinge geschildert, was ihnen im Lager 2 passiert ist sei, so Nauer. Ein politischer Gefangener habe etwa geschildert, er sei gleich bei Haftantritt für acht Monate in einen Spezialblock gekommen. Dort habe er mit gesenktem Kopf und den Händen auf dem Rücken tagelang stehen oder auf einem Stuhl sitzen müssen. Mit Sprechverbot. Essen, Toilettengänge oder Hofgänge seien nur unter enormen Zeitdruck erlaubt gewesen, man sei permanent am Rennen.
Ziel: Nawalny brechen
Es sei den politischen Häftlingen auch verboten worden, mit anderen Insassen zu sprechen. Das töne nach totaler psychischer Folter, sagt Nauer. Dass Nawalny ausgerechnet in dieses Lager kam, sei kein Zufall, vermuten ehemalige Insassen.
Es ist möglich, dass gegen Nawalny weitere Prozesse angestrebt werden und dass aus zweieinhalb Jahren bald zehn Jahre werden könnten, schätzt Nauer. Nawalny stehe vor sehr schwierigen Monaten und Jahren und fürchterlichen Erfahrungen. Ein enger Verbündeter sagte kürzlich, Nawalny sei so stark, dass das System ihn nicht brechen werde, sondern umgekehrt. Es sei die Hoffnung eines Oppositionellen in Moskau, so Nauer.
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