- Die Türkei erklärt die Botschafter Deutschlands, der USA und acht weiterer Länder zu unerwünschten Personen.
- «Ich habe unserem Aussenminister die Anweisung erteilt und gesagt, was zu tun ist: Diese zehn Botschafter müssen sofort zu unerwünschten Personen erklärt werden», machte Präsident Tayyip Erdogan in einer Rede in Eskisehir klar.
- Die Eskalation steht in Zusammenhang mit einem Streit über den inhaftierten Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala.
- Das US-Aussenministerium gab an, Aufklärung suchen zu wollen.
Zurzeit ist noch unklar, ob Erdogans Aussagen nun unmittelbar zu einer Ausweisung der Diplomaten der zehn Länder führen. «Ich sagte, kümmern Sie sich darum, diese zehn Botschafter so schnell wie möglich zur «Persona non grata» zu erklären», so Erdogan. Ein solcher Schritt führt in der Regel zur Ausweisung der Diplomaten.
Protest aus Deutschland
Politiker von FDP, CDU und Grünen haben das Vorgehen der türkischen Regierung gegen den deutschen Botschafter in dem Land kritisiert. «Die mögliche Ausweisung von zehn Botschaftern, darunter die Vertreter von Deutschland und vieler NATO-Verbündeter der Türkei, wäre unklug, undiplomatisch und würde den Zusammenhalt des Bündnisses schwächen», schrieb der FDP-Aussenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff am Samstag bei Twitter.
Türkei ignoriert Forderung des EGMR
Der Geschäftsmann Kavala ist seit Ende 2017 in der Türkei inhaftiert. Ihm werden die Finanzierung öffentlicher Proteste und die Beteiligung an einem Putschversuch vorgeworfen. Er weist die Anschuldigungen zurück.
Ein rechtskräftiges Urteil steht bisher aus. Ein anfänglicher Freispruch im Zusammenhang mit den Protesten wurde später aufgehoben.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte 2019 bereits Kavalas Freilassung gefordert. Die Türkei ignoriert das Urteil bislang, obwohl sie als Mitglied des Europarats eigentlich zur Umsetzung verpflichtet ist.
Gemeinsame Erklärung von zehn Botschaftern
Am 18. Oktober hatten die Botschafter von zehn Ländern in einer gemeinsamen Erklärung eine zügige und gerechte Entscheidung im Fall Kavala verlangt. Darin forderten sie mit Verweis auf Urteile des EGMR seine Freilassung. Unterzeichner sind neben Deutschland und den USA auch Frankreich, die Niederlande, Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen sowie Kanada und Neuseeland. Mehrere dieser Länder sind in der Nato mit der Türkei verbündet.
Das türkische Aussenministerium lud daraufhin die betreffenden Botschafter vor. Unter den einbestellten Diplomaten waren auch die der USA, Frankreichs und der Niederlande. Die Türkei hatte die Erklärung als inakzeptable Einmischung in das Justizverfahren bezeichnet.
Steht euch zu, der Türkei so eine Lektion zu erteilen?
«Wir können nicht den Luxus haben, sie in unserem Land willkommen zu heissen», hatte Erdogan bereits am Donnerstag der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge mit Blick auf die Diplomaten erklärt. «Steht euch zu, der Türkei so eine Lektion zu erteilen? Wer seid ihr schon?» Deutschland oder die USA liessen «Ganoven, Mörder und Terroristen» auch nicht einfach frei.
US-Aussenministerium sucht Aufklärung
Bis jetzt haben die meisten betroffenen westlichen Regierungen nicht offiziell reagiert. Das deutsche Aussenministerium lässt lediglich verlauten, man habe Erdogans Äusserungen zur Kenntnis genommen. Man berate zurzeit intensiv mit den anderen betroffenen Ländern.
Das US-Aussenministerium suchte Aufklärung. «Die Berichte sind uns bekannt und wir suchen jetzt Klarheit vom Aussenministerium der Türkei», sagte am späten Samstagabend ein Sprecher des State Department. Der Präsident des Europäischen Parlaments, David Sassoli, schrieb auf Twitter, die Ausweisung der Botschafter sei ein Zeichen für die autoritäre Tendenz der türkischen Regierung. «Wir lassen uns nicht einschüchtern. Freiheit für Osman Kavala.»