Der Unternehmer Osman Kavala ist in der Türkei als Kulturmäzen bekannt. Der 64-Jährige finanziert Kulturzentren in ärmeren Regionen. Er ist zudem Menschenrechtsaktivist und kritisiert den autoritären Staatschef Recep Tayyip Erdogan.
Deshalb steckt er nun seit mehr als vier Jahren ohne Urteil in Haft. Dort bleibt er. Ein Istanbuler Gericht hat nämlich vor einer Woche seine Untersuchungshaft verlängert. Damit lässt die türkische Führung ein Ultimatum des Europarats verstreichen. Dieser hatte die Freilassung des Häftlings gefordert.
Überall wittert Erdogan Feinde
Ankara geht damit auf direkten Konfrontationskurs. Wohl auch deshalb, weil Erdogan den Kulturmäzen inzwischen als persönlichen Feind wahrnimmt. Allenthalben wittert er Feinde, seitdem er wegen seiner erfolglosen Wirtschafts- und Währungspolitik viel Rückhalt im Volk verloren hat.
Wie wichtig ihm der Fall Kavala ist, zeigte sich im Herbst während der sogenannten «Botschafterkrise». Erdogan drohte, gleich zehn westeuropäische Botschafter auszuweisen, weil sie, gestützt auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, ebenfalls die Freilassung Kavala verlangt hatten. Erst spät lenkte der türkische Präsident ein; am Ende durften die Diplomaten bleiben.
Europarat lässt sich Erdogans Handeln nicht bieten
Nun handelt der Ministerrat des Europarats, indem er ein formelles Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei einleitet. Das geschah bisher erst ein einziges Mal. Und zwar vor vier Jahren gegen Aserbaidschan, das einen Oppositionspolitiker jahrelang eingekerkert hat. Erst nach der Einleitung des Strafverfahrens lenkte das Regime in Baku ein.
Erdogan dürfte gehofft haben, dass ihn Mitglieder des Europarats wie Russland, Aserbaidschan, Polen oder Ungarn vor Sanktionen bewahren. Doch die nötige Zweidrittelmehrheit unter den 47 Mitgliedstaaten kam zustande, weshalb die Türkei jetzt am Pranger steht. Noch unmittelbar vor der Entscheidung gab sich die Führung in Ankara trotzig und verbat sich jede Einmischung in Justizangelegenheiten.
Die Türkei könnte aus dem Europarat geworfen werden
Der jetzige erste Schritt für ein Strafverfahren führt nicht gleich zu einem Rauswurf aus dem Europarat. Die Türkei bekommt nun eine sechswöchige Frist, ihre Sicht darzulegen. Danach setzt der Ministerrat ein Komitee ein, das konkrete Sanktionen vorschlägt. Sie können von einer Suspendierung des Stimmrechts der Türkei reichen (wie sie etwa 2014 wegen der Krim-Annexion gegen Russland beschlossen wurde) über einen dauerhaften Entzug des Stimmrechts bis hin zum Ausschluss des Landes.
Die autoritär regierte Türkei hat sich – genauso wie andere Mitgliedstaaten – weit von den rechtsstaatlichen Prinzipien des Europarats entfernt. Doch das politische Risiko bei einem Rausschmiss ist beträchtlich. Denn danach könnte der Europarat überhaupt keinen Einfluss mehr ausüben. Und ein Regime dürfte sich erst recht um Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte futieren.