Worum geht es? Menschen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren, sollen ihr Geschlecht auf offiziellen Papieren einfacher und beschleunigt ändern können. Das will Schottland. Dagegen stellt sich die britische Regierung. Sie will das geplante Gesetz blockieren; und zwar mit einem Veto-Recht, das bisher noch nie zur Anwendung gekommen ist.
Welche Änderungen sind geplant? Mit dem geplanten Gesetz soll die Pflicht für ein medizinisches Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfallen. Das Mindestalter für einen Antrag soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden. Die Dauer, in der ein Transmensch in seiner neuen Geschlechterrolle gelebt haben muss, soll statt zwei Jahre nur noch drei Monate betragen.
Wie lautet die Begründung für die Blockade? Die konservative britische Regierung hatte am Montagabend angekündigt, das geplante schottische Gesetz aus Sorge vor einem Verstoss gegen britische Gleichstellungsregeln blockieren zu wollen. Das Gesetz verstösst aus Sicht seiner Kritiker gegen landesweite Regeln. Es gebe noch zu viele offene Fragen.
Wie reagiert Schottland? Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon bezeichnete die Blockadehaltung Londons auf Twitter als «Frontalangriff auf unser demokratisch gewähltes schottisches Parlament» und seine Befugnisse. Sturgeon kündigte an, weiterzukämpfen. «Wenn Westminster damit durchkommt, wird es das erste von vielen Malen sein.»
Welche Optionen gibt es im Konflikt? Als erste Möglichkeit kann Regierungschefin Nicola Sturgeon den Rechtsweg beschreiten. Sie kann ein Gericht in Schottland oder gar das Oberste Gericht in Grossbritannien entscheiden lassen, ob die britische Regierung überhaupt befugt ist, in dieser Frage ihr Veto einzulegen. «Dieser Weg ist öffentlichkeitswirksam und politisch sicher attraktiv, weil verwertbar», erklärt Patrik Wülser. Der zweite Weg ist ein Vorschlag der britischen Regierung: Man solle doch zusammensitzen und gemeinsam einen neuen Gesetzesentwurf entwerfen. Davon könnte das ganze Königreich profitieren, und der Entwurf wäre im ganzen Königreich anwendbar. «Dieser Weg könnte eher ans Ziel führen, ist aber politisch sicher weniger spektakulär.»
Geht es um mehr als das Gesetz für Transmenschen? «Es wäre falsch oder auch ein bisschen tendenziös, der schottischen Regierung zu unterstellen, es gehe im Grunde nicht um die Rechte von Transmenschen, sondern allein um eine Provokation für London», schätzt der Grossbritannienkorrespondent ein. Doch die Auseinandersetzung habe tatsächlich zwei Ebenen. Das Veto der britischen Regierung sei einerseits ein Rückschlag für die Transmenschen in Schottland. Ebenso sei es eine weitere Zerrüttung des Verhältnisses zwischen Grossbritannien und Schottland. «Das wird den Wunsch nach Unabhängigkeit bei vielen Schottinnen und Schotten sicher befeuern.»