Am späten Donnerstagabend kam es in Venezuela zu einem massiven Stromausfall, der weiterhin grosse Teile des Landes lahmlegt. Grund ist ein Schaden an einem Wasserkraftwerk, das 80 Prozent des landesweiten Strombedarfs deckt. Staatschef Maduro sagte, schuld an der Situation sei ein Cyberangriff auf das Wasserkraftwerk. Er kündigte an, der Uno «Beweise» für eine Verstrickung der USA vorzulegen.
Die stundenlange Dunkelheit in grossen Teilen des Landes offenbart den desaströsen Zustand von Venezuelas Energieversorgung. Lateinamerika-Experte Günther Maihold erklärt, warum Venezuela von diesem einem Wasserkraftwerk so abhängig ist.
SRF News: Maduro spricht von Sabotage – was war Ihrer Meinung nach der Grund für den massiven Stromausfall im Land?
Günther Maihold: Es wird immer deutlicher, dass über Jahrzehnte keine Investitionen mehr erfolgt sind. Es hat schon seit Jahren Stromausfälle und Probleme in der Verkehrs-Infrastruktur und in der Energie-Infrastruktur gegeben. Insofern ist das nur wieder ein weiterer Fall in einer langen Geschichte von untauglichen Strukturen.
70 Prozent der Stromerzeugung erfolgen über dieses Wasserkraftwerk, was jetzt einen Schaden hat. Leider verfügt das Land über keine Ersatzmöglichkeiten durch andere Quellen der Energieerzeugung. Insofern trifft es die Breite des Landes und damit ist natürlich auch die extreme Abhängigkeit von dieser einen Quelle ganz besonders deutlich geworden.
Welchen Effekt haben die Sanktionen, die die USA verhängt haben, auf die Energieversorgung Venezuelas?
Zunächst ist nicht zu erkennen, inwieweit die Sanktionen hier die Energie und Stromversorgung betreffen sollten, weil es sich um ja um ein Wasserkraftwerk handelt. Das entscheidende Problem dürfte eher darin bestehen, dass führende Techniker das Land verlassen haben und nicht mehr verfügbar sind, sodass das Know-how verloren gegangen ist.
Man hat Schweröl, aber man kriegt es nicht in die Versorgungskanäle, die das Land benötigt.
Jetzt geht ja auch noch das Erdöl im eigenen Land aus – schadet das nicht eher den Bürgern, als dass es Maduro trifft?
Zunächst erwarten die Bürger dass insbesondere Öl in diesem Land, das als ölreichstes der Welt gilt, auch zur Verfügung steht. «Wir sind ja reich», ist die Standardformel, die man dabei immer hört. Nur muss man in Rechnung stellen, dass Venezuela Schweröl fördert und es für dessen Transport und Raffinerie verdünnt werden muss, um überhaupt zur Verfügung zu stehen. Und da sind durch die Sanktionen entsprechende Kürzungen eingetreten. Das bedeutet, man hat Schweröl, aber man kriegt es nicht in die Versorgungskanäle, die das Land benötigt. Und damit sind die Bürger unmittelbar betroffen und werden entsprechend auch verärgert reagieren.
Warum kollabiert jetzt die gesamte Erdölproduktion?
Venezuela hat in den letzten zehn bis 15 Jahren quasi eine Hälfte seiner Produktionsmenge verloren. Dies hat vor allem damit zu tun, dass nicht hinreichend investiert wurde in Produktion und Förderung. Der zweite Faktor sind die fehlenden Raffinerie-Kapazitäten. Das Land besitzt drei Raffinerien, die in den USA stehen und jetzt durch die Sanktionen der USA nicht mehr zugänglich sind. Damit entstehen natürlich Produktionsüberschüsse von Schweröl, die aber nicht unmittelbar verfügbar sind für die nationale Versorgung mit Benzin und Diesel.
Warum bekommt Maduro jetzt sein Öl auch nicht mehr so einfach an andere Kunden los?
Venezuela hat für die Verschiffung seines Öls vor allem Boote und Tanker, die nur im Karibischen Meer in die USA geliefert haben. Mögliche Abnehmer wären jetzt die Türkei oder Indien. Das heisst, man bräuchte hochseetaugliche Transportmöglichkeiten. Die sind gegenwärtig nicht vorhanden und müssten erst auf dem freien Markt erworben und gemietet werden.
Es gibt Meldungen das Öl reiche nur noch für sechs Wochen. Könnte das Maduro zum Aufgeben zwingen?
Das ist sicherlich ein zentraler Faktor. Der Benzinpreis ist in Venezuela ein politischer Preis. Er wird massiv subventioniert für die Bevölkerung. Das bedeutet insbesondere, dass sich Haushaltsengpässe der Regierung auf die Möglichkeiten der Subventionen auswirken und sich damit die Mengenangebote entsprechend reduzieren.
Das Gespräch führte Stefanie Schunke.