Es ist das Ende einer Ära: Bei den südafrikanischen Wahlen 2024 verliert der African National Congress (ANC) erstmals seine 30-jährige parlamentarische Mehrheit und erzielt nur 40 Prozent der Stimmen, was deutlich unter den befürchteten 45 Prozent liegt. Seit Ende der Apartheid stellt dies eine historische Niederlage dar, die die Partei zwingt, innerhalb von zwei Wochen Koalitionspartner zu suchen, um regieren zu können. Zudem bringt dies den amtierenden Präsidenten Cyril Ramaphosa unter zunehmenden Druck.
Überraschend war die deutliche Abkehr von traditionellen ANC-Wählern, die sich aufgrund von Korruption, Arbeitslosigkeit und häufigen Stromausfällen abwandten. Die grossen Gewinner der Wahlen sind die uMkhonto we Sizwe (MK), die neue Partei von Ex-Präsident Jacob Zuma. Mit 15 Prozent der Stimmen wurde MK drittstärkste Partei und hat erheblich zum Verlust der ANC-Mehrheit beigetragen, wodurch sie eine entscheidende Rolle in der neuen politischen Landschaft des Landes einnimmt. Trotz ihrer radikalen Forderungen nach Landenteignungen und Verstaatlichungen, die ausländische Investoren alarmieren, hat MK insbesondere in der Provinz KwaZulu-Natal, Zumas Hochburg, starken Rückhalt gefunden.
Pragmatische oder populistische Allianz
Zuma selbst darf aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilungen und laufenden Ermittlungen wegen Korruption nicht erneut für ein Amt kandidieren. Dies hat das Verfassungsgericht entschieden, um die Integrität und Stabilität der politischen Institutionen zu wahren. Nun steht der ANC vor der Wahl: eine pragmatische Koalition oder eine populistische Allianz.
Pragmatisch: Die Democratic Alliance (DA) ist die grösste Oppositionspartei, die für wirtschaftsliberale und marktorientierte Reformen steht. Populistisch: Die Economic Freedom Fighters (EFF) hingegen vertreten radikale linke Positionen, darunter die Nationalisierung von Schlüsselindustrien und Landenteignungen. Die MK gab derweil an, sie würde nur eine Koalition eingehen, wenn Ramaphosa zurücktritt.
Drohende Unruhen
Bis Samstagabend um 22 Uhr waren 100 Prozent der Stimmen erfasst. Noch sind die Wahlergebnisse nicht offiziell bestätigt: Die Wahlkommission von Südafrika (IEC) hat die Verkündigung erst auf heute Sonntagabend gesetzt, um noch Zeit für Einsprachen zum Zählen und Erfassen zu lassen. Gestern Abend drohte Ex-Präsident Jacob Zuma, dass die MK-Partei das Endergebnis nicht akzeptiere, da es zu Wahlmanipulationen gekommen sei. Sie behaupten, ein IT-Unternehmen habe während eines zweistündigen Systemausfalls in das Wahlsystem eingegriffen, was zu fehlerhaften Ergebnissen geführt habe. MK fordert daher eine erneute Wahl oder eine Untersuchungskommission. Die Wahlkommission IEC weist diese Vorwürfe zurück und betont die Integrität des Wahlprozesses. Es drohen unruhige Stunden in Südafrika.
Klar ist: Die Wahlen 2024 markieren einen Wendepunkt in Südafrikas Politik. Der Verlust der ANC-Mehrheit öffnet das politische Spielfeld für neue Allianzen und Reformen. Die nächsten Stunden, Tage und Wochen werden zeigen, ob Südafrika in der Lage ist, durch Koalitionen eine stabile und zukunftsorientierte Regierung zu bilden, die die tiefgreifenden Herausforderungen des Landes bewältigen kann.