Indem die Abgeordneten der Regierungspartei der Abstimmung über Yoons Amtsenthebung grösstenteils fernblieben, wurden die nötigen 200 Stimmen im Parlament nicht erreicht. Diese wären erforderlich gewesen. Nur dann kann das Parlament in Südkorea den Präsidenten seines Amtes entheben.
Wahlen im Blick
Seine Partei stellt sich deshalb hinter den Präsidenten. Allerdings nicht aus Überzeugung, sondern wohl eher, um noch grösseren Schaden von der Regierungspartei abzuwenden. Würde der Präsident seines Amtes enthoben, käme es zu Neuwahlen. Die Regierungspartei glaubt offenbar nicht, dass sie diese gewinnen könnte.
Mit anderen Worten: Bei einem Impeachment würde nicht nur Yoon das Präsidentenamt verlieren, sondern auch die Partei. Und das, nachdem sie bereits bei den Parlamentswahlen im April deutlich gegen die Opposition verloren hatte.
Bevölkerung gegen Präsident
Doch wie lange die Regierungspartei den Präsidenten noch halten will und kann, ist eine andere Frage. Der Parteichef hatte bereits vor dem Amtsenthebungsvotum deutlich gemacht, dass Yoon nicht mehr tragbar sei. Fallen lassen wollte er ihn trotzdem nicht. Noch nicht.
Aber Präsident Yoons Versuch, mit Hilfe des Militärs an Autorität zu gewinnen, wird von weiten Teilen der südkoreanischen Bevölkerung nicht gutgeheissen. Sie sehen darin einen gescheiterten Putsch. Niemand, nicht einmal seine Anhänger verstehen, wie Yoon zu dieser fatalen Entscheidung kommen konnte.
Und so sprachen sich in einer landesweiten Umfrage fast drei Viertel dafür aus, dass Yoon zurücktritt oder seines Amtes enthoben werden sollte. Und das auch in konservativen Regionen, also den Stammlanden der Partei und des Präsidenten.
Die Statistik wird durch das Bild auf der Strasse unterstrichen. Hunderttausende protestierten am Tag der Abstimmung über die Amtsenthebung in Seoul gegen Yoon. Die Kundgebung seiner Anhänger war im Vergleich dazu lächerlich klein.
Der Druck bleibt hoch
Und die Demonstranten wollen trotz der gescheiterten Amtsenthebung nicht aufgeben. Sie kündigten an, bis zum Rücktritt des Präsidenten auf die Strasse zu gehen. Das erhöht nicht nur den Druck auf Yoon, sondern auch auf seine Partei.
Zudem gibt sich der Oppositionsführer trotz der verlorenen Amtsenthebungs-Abstimmung weiterhin angriffslustig und verspricht nicht aufzugeben. Dies deutet darauf hin, dass sich Präsident Yoon bald einem weiteren Amtsenthebungsverfahren stellen muss. Dass seine Partei ihn langfristig gegen den Willen der Bevölkerung im Amt halten wird, ist derzeit kaum vorstellbar.