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Südlichste Region Italiens Sizilien kämpft mit Wasserknappheit – trotz genügend Wasser

Italiens grösste Insel leidet unter Dürren. Dabei würde genügend Regenwasser fallen. Wieso bleibt das Problem ungelöst?

Ein Staudamm, den man vor 70 Jahren baute, der aber kaum Wasser speichern darf. Denn die Baupolizei hat diesen Damm bis heute weder kontrolliert noch abgenommen. Der Ort des Geschehens: das Städtchen Castelvetrano im Südwesten Siziliens.

Es ist eine Gegend, in der das Thermometer im Sommer bis auf 40 Grad steigt und die unter Trockenheit leidet. Das Wasser, das der Damm stauen könnte, wäre also dringend nötig.

Gelbe Blumen vor einem See in hügeliger Landschaft.
Legende: Der «Lago della Trinità»: Wasser hat er, den Landwirtschaftsbetrieben steht es aber nicht vollumfänglich zur Verfügung. (Bild vom 7.4.2019) Wikimedia Commons/V880

Was läuft schief? Und was heisst das für die Leute, die dort leben und Früchte oder Gemüse anbauen?

Das ist wie ein schlechter Witz.
Autor: Rocco Mangiaracina Olivenbauer

Rocco Mangaracina und seine Familie besitzen im Umland des Städtchens Castelvetrano hunderte von Olivenbäumen. Doch im letzten Sommer war es derart heiss und trocken, dass viele der Oliven verdorrt oder kaum gewachsen sind. «Wir haben die Hälfte unserer Ernte verloren», bilanziert er bitter.

In diesem Winter ist endlich wieder einmal Regen gefallen. Doch der Olivenbauer leidet weiterhin unter Wassermangel. Und das, obwohl beim Stausee «Lago della Trinità» Wasser durch eine grosse Öffnung abfliesst. «Das ist wie ein schlechter Witz», ereifert sich der Jungbauer. «Denn das Wasser, das jetzt ins Meer fliesst, würden wir im Sommer dringend benötigen.»

Der Landwirt erklärt, warum die Schleuse offensteht: Den Staudamm hat man schon in den 1950er Jahren gebaut. Doch in den langen 70 Jahren, die seither verstrichen, wurde der Staudamm weder behördlich kontrolliert noch baupolizeilich abgenommen. Mit gravierenden Folgen: «Sobald das Wasser im Stausee einen gewissen Pegelstand erreicht, muss man die Schleusen öffnen und es ablassen.»

Zuständig für den Damm sind die Region Sizilien und das Infrastrukturministerium in Rom. Finanziert wurde das Projekt seinerzeit mit Mitteln der Regierung in Rom.

Die Olivenbäume der Familie Mangiaracina sind mitunter 200 Jahre alt. Rocco zeigt ein besonders grosses und knorriges Exemplar – die «Königin dieser Gegend». Mit diesen Worten spricht er stolz über die Bäume. Sie tragen grosse, saftige, fleischige Früchte. Doch das tun sie nur, wenn sie genügend Wasser haben.

Längst haben die Bauern hier auf Tröpfchenbewässerung umgestellt, um möglichst nichts vom wertvollen Nass zu vergeuden. Umso mehr ärgert man sich in Castelvetrano darüber, dass der Stausee trotz des vielen Regens nur minim gefüllt ist.

Dieses Problem haben wir auf ganz Sizilien.
Autor: Santo Di Maria Bauernfunktionär

Italiens Bauernverband «Coldiretti» hat in Castelvetrano ein lokales Büro. Santo Di Maria leitet es. Er hat den Überblick: «Nichts als Schläge haben wir in letzter Zeit einstecken müssen.» In Zahlen heisst das: 50 Prozent weniger Oliven und Trauben. Bei den Zitrusfrüchten, die besonders viel Wasser benötigen, sei der Ernteverlust gar noch grösser gewesen. Und die Orangen, die reiften, seien oft nur klein und minderwertig.

Die Zeche zahlten die Landwirte: «Gegen Hitze und Trockenheit kann man sich nicht versichern.» Der Ärger ist gross. Denn eigentlich hätte man ja den Stausee. Doch eben: Man muss Wasser ablaufen lassen.

Ein Missstand, unter dem nicht nur Castelvetrano leidet, sagt Santo Di Maria. «Dieses Problem haben wir auf ganz Sizilien.» Von 26 grösseren Stauseen auf Sizilien hat man zehn nie behördlich freigegeben. Sie dürfen darum nur wenig Wasser fassen.

Dazu kommen weitere Probleme, zum Beispiel alte, marode Leitungen: «Zwischen 50 und 55 Prozent unseres Wassers versickert in löchrigen Rohren.» Der Bauernfunktionär fasst zusammen: Wegen fehlender Kapazitäten der Stauseen speichere man nur etwa zehn Prozent des Regenwassers. Und davon versickere dann die Hälfte – ein Riesenproblem.

Die Blume mit dem Namen ‹Mai› blüht nun im Februar.
Autor: Giuseppe Ampolilla Weinbauer

Giuseppe Ampolilla stapft durch seinen Weinberg. Mit seiner kräftigen Hand pflückt er eine leuchtend-gelbe Blume. «Maio» heisst sie, was im sizilianischen Dialekt Mai bedeutet. Und tatsächlich blühte diese Blume früher im Wonnemonat. Doch heute sieht man sie schon Ende Februar.

Der Klimawandel stellt vieles auf den Kopf. Heute schneidet man auch die Reben und erntet die Trauben früher. Giuseppe Ampolilla passt sich so gut wie möglich an. Doch auch er kelterte im Herbst etwa 50 Prozent weniger Trauben.

Nun fürchtet er sich vor der nächsten Hitze und Trockenheit. Dabei habe es in diesem Winter viel geregnet: «Hätten wir alles Wasser aufgegangen, es würde für zwei trockene Sommer ausreichen.»

Ampolilla sagt, er schäme sich wegen dieser Misere, auch wenn nicht er, sondern die ineffiziente Politik daran schuld sei. Linke wie rechte Regierungen hätten das Problem nie angepackt. Und schon bald beginne es hier wieder heiss zu werden.

Hat die Mafia ihre Finger im Spiel?

Abends auf der zentralen Piazza von Castelvetrano zeigt sich das Bild einer wirtschaftsschwachen Region. Aus einer Bar klingt Musik und es plaudern ein paar Leute. Doch die anderen Plätze und Gassen sind leer, etliche Läden geschlossen, Schaufenster zugeklebt – mit längst vergilbten Zeitungen.

Viele Junge zieht es weg Richtung Norden. Zeichen einer Krise, die auch mit der lokalen Mafia, der Cosa Nostra, zu tun hat.

Immer wieder hört man, die Mafia habe auch beim Staudamm ihre Finger im Spiel. Sie wolle die Gegend bewusst austrocknen, um das Land so billig aufzukaufen oder um Wasser zu völlig überzogenen Preisen zu liefern.

Echo der Zeit, 13.3.25, 18 Uhr

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